Das Wort zur Woche (8. Juni 2025 - Pfingsten, Lesejahr C)

Katharina Nowak
Jan Simon Wacker ist der neue theologische Assistent in der Katholischen Citykirche Wuppertal (Foto: Christoph Schönbach)

Oh, du geistverlassene Welt!

Liebe Leserinnen und Leser,

heute begehen wir das Pfingstfest, das Fest der Aussendung oder Ausgießung des Heiligen Geistes, dass am fünfzigsten Tag der Osterzeit gefeiert wird. Die Jünger waren noch in Jerusalem versammelt, so wie es Jesus Ihnen kurz vor seiner Himmelfahrt aufgetragen hatte. Während sie – höchstwahrscheinlich verängstigt – weiterhin in einem Raum verharren, begeht ihr jüdisches Umfeld das Wochenfest Schawuot, das an die Verleihung der Tora am Sinai erinnert und ebenfalls an einem fünfzigsten Tage, dem nach Pessach, gefeiert wird. Und in diese Stille eines Hauses fährt ein Sturm, Feuerzungen erscheinen über den Häuptern der Jünger und für sie verändert sich alles.

Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. Apg 2,4

Die Jünger treten aus dem Haus und sprechen in allen Sprachen. Menschen aus aller Welt verstehen sie mit einem Mal. Die Anhänger Jesu sind nicht mehr verschüchtert und sprachlos. Jeder der Anwesenden kann die Worte in seiner Sprache vernehmen. In meinen Augen sind das nicht nur verschiedene Sprachen wie Deutsch und Englisch, Arabisch und Hebräisch oder Russisch und Ukrainisch, sondern die Botschaft wird so gesprochen, dass jede und jeder verstehen kann, was gesagt wird, ungeachtet der Worte, die verwendet werden.

Ein radikaler Unterschied zu unserer heutigen Zeit, in der ich eher ein Sprachversagen sehe als ein Sprachenwunder. Wir haben alle nur erdenklichen technischen Möglichkeiten miteinander in Kontakt zu treten und zu kommunizieren: Telefone, Handys und Tablets, mit denen wir immer und überall mit Bild und/oder Ton den anderen auf dem Laufenden halten können; vom direkten Kontakt von Angesicht zu Angesicht gar nicht zu sprechen. Doch scheint es, dass viel zu häufig nicht mehr miteinander, sondern übereinander oder nur voneinander gesprochen wird. Eine Zeit, in der der Dialog der Drohung und die Wahrheit dem Eigennutz weicht. Die Sprachen mit Worten christlicher Werte scheinen zu verstummen.

Kriege werden geführt und die Sprache der Diplomatie schweigt, Hassparolen und Propaganda ersetzen Argumente und differenzierte Betrachtungen. Leidvolle Erfahrungen und Not werden nicht mehr als das gesehen, was sie sind, sondern umverpackt in politische Sprachhülsen, derer man sich abstrakt entledigen kann, ohne sich weiter mit den Menschen dahinter befassen zu müssen.

Der Geist, der an diesem ersten Pfingstfest – dem Gründungsfest der Kirche - über die Jünger kam, ist es, der heute fehlt. Ein Geist, der wortgewandt und nicht sprachlos macht, der ermutigt und nicht verzagen lässt, der verbindet und nicht trennt. Ein Geist, der zeigt, dass es möglich ist, dass Menschen verschiedenster Herkunft einander verstehen können und gemeinsam an einem Strang ziehen können: ein Geist, der vereint. Was wäre alles möglich, wenn Israelis und Palästinenser, Russen und Ukrainer, Arme und Reiche, Extremisten und Gemäßigte, Menschen in Überfluss und Menschen in Not nicht mehr übereinander, sondern miteinander in der gleichen Sprache sprechen würden und sich verstünden?

Diese Einheit, die der eine Geist bewirken sollte, ist aber nicht erst in unserer Zeit abhanden gekommen, sondern bereits in der Urgemeinde hatte man damit Probleme. Paulus spricht in seinem ersten Brief an die Gemeinde von Korinth zu den dortigen Splittergruppen über verschiedene Gnaden- und Geistesgaben.

Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet. Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. 1 Kor 12,3f

Natürlich ist es nichts Neues, dass die Menschheit wahrscheinlich zu allen Zeiten in verschiedene Grüppchen zersplittert war und ist. Seien es nationale, wirtschaftliche oder ideologische Ansichten, die Gräben in der Menschheit aufreißen, es lassen sich ausreichend Gründe finden, die trennen und nicht vereinen. Der heute vorherrschende Geist ist einer der Machtgier, der Zerstörung, der Angst. Dank ihm werden Kulturen überrannt, humanistische Errungenschaften ignoriert, Leben geopfert und die Schöpfung zerstört.

Der Geist, den Paulus beschwört, ist jedoch ein radikal anderer: Er schenkt Einheit in der Vielfalt. Jede und jeder von uns hat Geistesgaben, die, so unterschiedlich sie von denen des Mitmenschen zur Linken oder zur Rechten auch sein mögen, alle dazu verwendet werden können, dass unser Tun der Allgemeinheit nützt.

Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. 1 Kor 12,7

Und doch sind wir nicht nur durch den einen Geist miteinander verbunden, Paulus entwirft ein paar Verse später das Bild des einen Leibes. Jesus ist das Haupt dieses Leibes und seine Anhänger sind die Glieder dieses Leibes. Auch hier wird wieder auf die Vielfalt in der Einheit hingewiesen.

Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. 1 Kor 12,12f

Dieses paulinische Bild des einen Leibes muss man meiner Meinung nach aufbrechen und erweitern. Es sind nicht nur Juden und Griechen – zwei Fraktionen innerhalb der Urgemeinde – sowie Freie und Unfreie, die den einen Leib ausmachen. Wir sind alle ein Leib, egal ob Christen oder Nichtchristen, globaler Norden oder globaler Süden, Mann und Frau, etc. Die gesamte Menschheit ist ein Leib und das Haupt dieses Leibes sind alle Werte, die das Miteinander fördern.

Das Pfingstereignis begann im Kleinen, in einer Kammer in Jerusalem, in den Herzen von zwölf verängstigten Menschen. Für mich beinhaltet das eine Hoffnung, dass sich dieser Geist auch heute wieder ausbreiten und verstärkt wirken kann. Es ist nicht ausreichend, auf Lösungen zu warten, wir müssen den Geist annehmen und uns davon leiten lassen; nicht von Macht, Parolen oder Verachtung, sondern von Zuwendung, Verständnis und Liebe. Gestern war Erwachsenenfirmung im Kölner Dom. Um die 75 Menschen haben sich dort firmen lassen – ihnen wurde die Kraft des Heiligen Geistes übertragen. Dieses Beispiel möge Sie und mich bestärken, in Wort und Tat für unseren christlichen Glauben Zeugnis zu geben, aus diesem einen Geist die Sprachlosigkeit zu überwinden und um Verständnis zu werben, um wahrhaft EIN Leib zu werden.

Dieser Geist ist kein biblisches Relikt, er zeigt sich immer dann, wenn sich ein Herz aus Mitgefühl öffnet, wenn eine Brücke gebaut wird, wenn eine mutige Stimme gegen den Zeitgeist spricht. Für den heutigen Tag wünsche ich uns allen, dass wir eine Feuerzunge über unseren Köpfen spüren!

Ein gesegnetes Pfingstfest und eine gute Woche wünscht Ihnen
Ihr Jan Wacker
Katholische Citykirche Wuppertal

Alle "Wochenworte" finden Sie in unserem Weblog "Kath 2:30":
"Wort zur Woche" auf Kath 2:30

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