ICH bin ja ach so wichtig!
Liebe Leserinnen und Leser,
ICH, Ich, ich – kaum etwas scheint heute wichtiger zu sein als das eigene Ego und die eigene Person. Und an allen Ecken und Kreuzungen wird uns vorgelebt, wie vermeintlich wichtig das sein soll. Es sind die Alphatierchen, die uns wissen machen wollen, wie wichtig ihr Weg ist und wie besonders die eigene Person sein soll – egal ob man nun Donald, Friedrich, Wladimir oder wie auch immer heißt.
(Eine kleine Randbemerkung am Anfang: Besonders befremdlich erschient mir gerade, dass zumindest mir kein Frauenname einfallen möchte, der in diese Kategorie fallen könnte. Aber vielleicht ist auch das symptomatisch.)
Und wenn ich ehrlich bin, dann graut es mir vor den nächsten Monaten, wenn nicht nur in der großen Weltpolitik Egomanie und politische Sturheit den Ton angeben, sondern dies sich auch bis vor die eigene Haustür verbreitet, dass diese Ungeheuerlichkeit nicht vor der Bundes- oder Landespolitik Halt macht, sondern sich bis in die Kommunalwahlen in unsere nächste Nähe verbreitet.
Was soll aus der angeblich aufgeklärten Menschheit werden, wenn humanistische – und nicht nur christliche – Werte keine Bedeutung mehr haben? Wenn Geringe, Leidende und Unliebsame von den Mächtigen keinen Schutz mehr erfahren? Wenn rotgefärbte soziale und schwarzgefärbte christliche Tugenden keinen Wert mehr haben? Oder in ganz einfachen Worten ausgedrückt: Was passiert mit uns, wenn Sie, du, oder ich als Einzelperson um unserer Selbst willen nicht mehr beachtet und geschätzt werden?
Ich kann und will mir aus schierem Selbstschutz keine Antwort darauf geben.
Der Apostel Paulus im Galaterbrief ist hier das genaue Gegenbeispiel: Er beginnt seine Rede damit, dass er die essentielle Botschaft seines Wirkens voranstellt und nicht seine Person.
Ich will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Denn es gilt weder die Beschneidung etwas noch das Unbeschnittensein, sondern: neue Schöpfung. Gal 6,14f
Nicht Paulus, der weitgereiste und vielleicht auch größte der Apostel, ist hier wichtig. Es ist und bleibt die Botschaft des Kreuzes, die das ‚non plus ultra‘ bleibt, die Heilstat des Gekreuzigten. Und auch darin unterscheidet sich Paulus von den oben genannten Rettern aus der Not, denn er ist der Bote, der Verkünder, nicht der selbsternannte Messias selbst, für den sich so mancher Mächtige gerne hält.
So verkündet es auch das heutige Evangelium: die 72 Jünger, die Jesus aussendet, sind nicht wichtig, ausschlaggebend sind deren Taten. Er sendet sie aus, da es viel zu tun gibt. Er sendet sie aber ins Ungewisse, an Orte, bei denen sie nicht wissen, ob sie erwünscht sind oder nicht. Doch Jesus weist sie an, überall in der gleichen Manier hinzugehen, egal in welcher Stadt sie ankommen. Freund oder Feind sind ihm gleich. Die Botschaft, die zu verkündigen ist, ist das Wichtige, nicht der Bote. Und bei den Empfängern ist es das Gleiche: Nicht der Status der Stadt ist wichtig, sondern wie mit der Botschaft umgegangen wird.
Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt. Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe! Wenn ihr aber in eine Stadt kommt, in der man euch nicht aufnimmt, dann geht auf die Straße hinaus und ruft: Selbst den Staub eurer Stadt, der an unseren Füßen klebt, lassen wir euch zurück; doch das sollt ihr wissen: Das Reich Gottes ist nahe. Lk 10,8-11
Und daher gilt: Wichtig ist nicht die Person, die etwas tut, es ist die Tat und was aus ihr erwachsen kann, die zum Heil für uns oder unsere Mitmenschen führt. Sei es eine Geste, ein Wort der Versöhnung oder eine helfende Hand: Dies ist die Ernte des Evangeliums um die sich in unseren Tagen zu wenige bemühen (cf. Lk 10,2), denn sie ist ohne Ruhm und öffentliches Ansehen.
Eine gesegnete Woche wünscht Ihnen
Ihr Jan Wacker
Katholische Citykirche Wuppertal
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