Was ist eigentlich konservativ?

Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine, PR

„Wir schaffen das!“ - der Satz, den die frühere Kanzlerin Angela Merkel während der Bundespresskonferenz am 31. August 2015 sprach, ist in die Geschichte eingegangen. Sie äußerte sich im Hinblick auf die zunehmende Aufnahme von Flüchtlingen angesichts der sich abzeichnenden humanitären Katastrophe an den Grenzen. „Wir schaffen das!“ - dieser Satz wird von vielen bis heute als naiv kritisiert und als Ursache des zunehmenden Erfolgs der AfD dargestellt. Andere hingegen sehen in ihm eine mutige und selbstbewusste Aussage, die sich der eigenen Verantwortung stellt angesichts der humanitären Herausforderung um die eigene Stärke weiß. Dabei ist er so oder so aus dem Zusammenhang gerissen. Tatsächlich sagte sie: „Ich sage ganz einfach: Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden. Der Bund wird alles in seiner Macht Stehende tun - zusammen mit den Ländern, zusammen mit den Kommunen -, um genau das durchzusetzen.“ Das klingt nicht nur nicht naiv. Es fordert auf, sich tatkräftig einer menschlichen Herausforderung zu stellen. Gerade einer Kanzlerin, deren politische Heimat eine Partie war, deren Name das „Christlich“ betont voranstellt, darf man abnehmen, dass sie sich christlicher Werte verpflichtet weiß - Nächstenliebe und der Zuwendung zu den Schwachen und Geflüchteten. Was glauben sie denn?

Die Entscheidung der Kanzlerin im Spätsommer 2015 mag umstritten sein. Sie wurde auf der Basis des christlichen Menschenbildes getroffen. Jesus selbst spricht in der Gerichtsrede im Matthäusevangelium:

„Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.“ (Mt 25,35b)

Wer so handelt, wird vor Gott bestehen. Von denen hingegen, die ihn nicht aufnahmen, sagt er:

„Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben.“ (Mt 25,45f)

Für Christen bedeutet das Handeln in dieser Welt immer auch ein Handeln vor Gott. Das ist Teil der christlichen Botschaft, die eben keine Jenseitsvertröstung kennt.


Auf diese Botschaft berufen sich die CDU und die CSU zumindest mit Worten bis heute. Beide Parteien bezeichnen sich als konservativ. Auch Konservative wissen, dass sie den Lauf der Zeit, die Evolution, die Entwicklung des technischen und sozialen Lebens nicht aufhalten können. Konservativ sein, heißt deshalb nicht, dass alles bleibt, wie es ist; konservativ bedeutet eher, die Werte zu bewahren, an denen man sein Handeln und seine Entscheidungen orientiert.  Paulus, der sich selbst als Apostel Christi bezeichnet, fasst das prägnant in Worte:

„Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21)

Aber sind das noch christliche Werte, die das heutige politische Handeln prägen? Ist da bei den C-Politikern noch ein grundständiges Vertrauen in Gott und ein selbstbewusstes Handlungsvermögen?

Sicher, die Bergpredigt und die Gerichtsrede Jesu sind kein politisches Programm. Sie sind trotzdem Handlungsparameter, an denen die eigenen, auch politischen Entscheidungen geprüft werden können. Wenn man einem Parameter nicht folgen kann, sollte man das gut begründen können. Sie einfach wegzuwischen, kann man als konservativer Mensch, der sich auf das christliche Menschenbild beruft, sicher nicht.

Angela Merkel war bzw. ist eine echte Konservative. In der Folge ihrer Entscheidung mag es Unvollkommenheiten gegeben haben. Sie hat sich aber von ihren Werten leiten lassen. Haben die, die jetzt Verantwortung tragen, noch Werte? Und wenn ja, welche sind das? Ach, würden sie doch nur auf Paulus hören, der mahnt:

„Weist die zurecht, die ein unordentliches Leben führen, ermutigt die Ängstlichen, nehmt euch der Schwachen an, seid geduldig mit allen!“ (1 Thess 5,14)

- sie würden die Parteien, die mit dem Schüren von Ängsten Quote machen, locker in die Schranken weisen. „Wir schaffen es nicht!“ ist für jene, die längst schon aufgegeben haben. A für Angst oder C für Christlich - jetzt ist Bekennermut gefordert. Etikettenschwindel hingegen ist nicht erlaubt!

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht  in der Westdeutschen Zeitung vom 5. September 2025.

In der Kolummne “Was glauben Sie denn?” der Westdeutschen Zeitung Wuppertal äußert sich Dr. Werner Kleine regelmäßig zu aktuellen Themen aus Kirche, Stadt und Land. Alle Texte der Kolummne erscheinen auch im Weblog "Kath 2:30":

"Was glauben Sie denn?" - Kath 2:30

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