Als Gott die Welt erschuf, muss er mit Wuppertal angefangen haben. Es heißt doch im sogenannten ersten Schöpfungsbericht, dass die Erde wüst und wirr war – in der hebräischen Bibel heißt es „Tohuwabohu“ – bevor es Licht wurde. Schaut man sich den Platz am Kolk an, dann ahnt man, was es damit auf sich hat. Vielleicht aber ist der Platz am Kolk auch jener Nabel der Welt, von dem aus die Schöpfung ihren Ausgang nahm. Er wäre dann die Mitte des Paradieses, das Zentrum des Gartens Eden, in dessen Mitte bis heute die zwei Bäume stehen – der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse (vgl. Gen 2,9). Die asphalt- und grauwackehaltige Ödnis könnte dann eine bleibende Erinnerung an die Ödnis vor Beginn der Schöpfung sein. Gott braucht immerhin nur sechs Tage, um die Welt von ihrem Nabel aus zu erschaffen, bevor er am siebten Tag ausruht. Dem Menschen aber gibt er zuvor den Auftrag, die Erde zu füllen und sie zu hegen und zu pflegen. Das nämlich beinhaltet der Auftrag, über die Erde zu herrschen. Das ist kein Freibrief für eine tyrannische Ausbeutung des Heimatplaneten, sondern ein Auftrag, an Gottes Stelle die Erde zu beackern, zu bebauen, die wilde Natur zu kultivieren und einen belebten Garten zu machen. Was glauben Sie denn?
Nun hat der Mensch immer wieder mehr als offensichtlich bei der Erfüllung des Schöpfungsauftrages versagt. Er hat die Erde ausgebeutet, die Atmosphäre mit Treibhausgasen vollgepumpt und eher für zunehmende Verwüstung gesorgt. Auch auf dem Platz am Kolk herrscht noch die wild-herbe Schönheit des Tohuwabohu, aus dem alles hervorgehen sollte. Noch erinnert in diesem Ensemble, das an die Resterampe eines Baumarktes erinnert, wenig an die Schönheit des Garten Eden, der er doch nahe kommen könnte. Die beiden Bäume sind doch noch da!
Sicher – Gott hatte es viel einfacher als die für die, die für die Gestaltung des Platz am Kolk verantwortlich sind. Er war ja allein, als er die Welt erschuf, und muss auf niemanden Rücksicht nehmen. Bürgerbeteiligungen kamen ja erst nach der Erschaffung des Menschen in Frage, Ausschussberatungen und Ratsbeschlüsse auch. So lassen sich leicht und zügig Welten erschaffen, wenn man niemanden fragen muss und das bloße Wort genügt, um Wirklichkeiten werden zu lassen. So reichen sechs Arbeitstage, um ein ganzes Universum zu schaffen, sich zur Ruhe zu setzen und dem Ebenbild die weitere Ausgestaltung der Schöpfung zu überlassen.
So sieht sich der Mensch nun herausgefordert, den Erdboden zu bearbeiten und es grünen zu lassen. Sicher, sicher, das wäre Arbeit und ist anstrengend. Auch in Wuppertal, das den Nabel der Welt hütet, weiß man das. Und Arbeit will gut organisiert sein. Da muss man sich beraten und besprechen und planen. Man ist ja schließlich nicht der liebe Gott – auch wenn die großen Bänke, die vergoldet auf der Herzogstraße stehen, und die noch größeren Bänke auf der Kaiserstraße und in der Nordstadt an das Land Brobdingnag aus Gullivers Reisen erinnern, in dem die Riesen wohnen. Haben sich die Herrscher Wuppertals womöglich erinnert, was der Psalm 8 auf die Frage antwortet, was der Mensch sei?
„Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit.“ (Ps 8,6)
heißt es da – und danach sehen die Bänke aus, deren Größe Göttern gefällt und die Menschen daran erinnern, dass sie dann doch ein wenig geringer gemacht sind als Gott.
Nun gut. Diese Überlegungen sind natürlich spekulativ. Die Schnelligkeit aber, mit der die überdimensionierten Stadtmöbel vom Himmel herabgekommen sind, lässt hoffen, dass die Tage der Ödnis auf dem Platz am Kolk doch irgendwann gezählt sein werden. Wenn Asphalt und Pflastersteine nicht unter Denkmalschutz stehen, kann es doch so schwer nicht sein, ein wenig Grün, ein paar nett gemulchte Wege und unter den beiden Bäumen in der Mitte des Gartens ein paar nette Sitzgelegenheiten zu platzieren, die dem Menschen einen kleinen Platz zum Ausruhen schaffen können. Das nämlich macht ihn zu einem wirklichen Ebenbild Gottes, dass er ausruhen darf! Aber wahrscheinlich muss es auch dafür wieder einen Ausschuss geben …
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 25. Juli 2025.
In der Kolummne “Was glauben Sie denn?” der Westdeutschen Zeitung Wuppertal äußert sich Dr. Werner Kleine regelmäßig zu aktuellen Themen aus Kirche, Stadt und Land. Alle Texte der Kolummne erscheinen auch im Weblog "Kath 2:30":