Sonderausgabe, September 2013

Zurück zur Übersicht

„Falls ich heirate, will ich sehr verheiratet sein“
Über Hollywood und Ikea, über Sven und Mirja, die sich trauen


Ist Gott der Rettungsring im Hafen der Ehe?

Text und Bild Janina Kusterka

Das Backsteingebäude reckt seinen gotischen Turm spitz in den bedeckten Nachmittagshimmel. Der Kirchvorplatz füllt sich mit Tüll, Taft und Seide. Die Kleidung der Menschen verrät: heute ist ein besonderer Tag. Sie warten. Das Gebäude strahlt ehrwürdige Beständigkeit aus; dem Ereignis angemessen.

Für einen der anwesenden Männer wird es ernst. Sven heiratet heute Mirja. In der Kirche. Doch warum eigentlich? Eine kirchliche Hochzeit bringt nicht einmal Steuervorteile. 

Spitze, Tüll und Stickereien

„Falls ich heirate, will ich sehr verheiratet sein“, sagte Audrey Hepburn einst. Das klingt romantisch und nach Liebe ohne Wenn und Aber. Zum sehr verheiratet sein gehört ein weißes Kleid. Eines mit Spitze, Tüll und Stickereien. Wer das nicht glaubt, kann es in jedem Liebesfilm nachsehen. Carrie Bradshaw zeigte das in Sex and the City, Diana und Kate präsentierten es am englischen Hof. Auch Mirja trägt solch ein Kleid. Ein Prinzessinnenkleid. Ein Hauch von Hollywood in Wuppertal. Dann schreitet das Brautpaar zum Altar. 

Doch anders als in der Traumfabrik muss dem Bräutigam heute nicht bange sein, ob die Braut sich auch traut, so wie es einst Richard Gere im Film ergangen war. Spielfilme taugen eben doch nur begrenzt als Drehbuch für die Wirklichkeit außerhalb des Kinosaals.

Dort gilt es dann, sich vom kommerziellen Hochzeitsmarkt nicht einschläfern zu lassen. „Wir haben darum gebeten, vieles Typische nicht machen zu müssen: Schleiertanz, Brautentführung, Wiener Walzer“, sagt Mirja. „Die Feier ist ganz nach unseren Vorstellungen geplant. Ohne den ganzen teuren Schnickschnack, den es für Hochzeiten zu kaufen gibt, aber niemand braucht.“ Sonst kann der schönste Tag im Leben schnell zum teuersten werden.

Wo ist Amor?

„Niemand frühstückt mehr bei Tiffany oder glaubt noch an die große Liebe seines Lebens. Stattdessen frühstücken wir um 7 Uhr früh und versuchen, unsere Affären so schnell wie möglich wieder zu vergessen. Amor ist aus dem gemachten Nest geflattert. Verflucht, wie konnte uns das nur passieren?“ So fasste Carrie Bradshaw den Zeitgeist moderner Großstädter zusammen. Aber stimmt das auch? Ist Amor tatsächlich zwischen Selbstoptimierung und Unverbindlichkeit verloren gegangen? Mirja und Sven jedenfalls sitzen nicht jeden Sonntag in der Kirche. Sven ist sogar erst vor kurzem wieder eingetreten. Doch für Mirja war es klar, kirchlich zu heiraten. Als Religionslehrerin fühle sie sich dem Glauben nahe. Und Amor war pfeilschnell bei den beiden. Nach nur vier Monaten hielt Sven um Mirjas Hand an. Von Unverbindlichkeit keine Rede. 

Das Brautpaar sieht die kirchliche Trauung ergebnisorientiert: „Uns war es wichtig, dass wir mit Gottes Segen in die Ehe gehen. Ich glaube, dass wir uns so einen Zusatzschutz sichern, auf den man nicht verzichten sollte“, sagt Mirja augenzwinkernd. Die Trauung habe für sie die Bedeutung der Ehe noch klarer werden lassen. Das mag auch für andere Paare der Grund für den Wunsch nach einer kirchlichen Trauung sein: etwas Besonderes zu haben. Die Hoffnung, dass noch jemand anderes achtgibt, dass es auch nach dem Happy End glücklich weitergeht. Nicht ohne Grund wird in Liebesfilmen nach der Hochzeit abgeblendet. Wer will schon ein Frühstück um sieben Uhr morgens und die Streitereien um die Hausarbeit auf der Leinwand sehen? Hollywood kann gute Hochzeiten zeigen, aber keine guten Ehen führen. Das müssen wir schon selbst erledigen.

Einkauf bei IKEA

Mirja sieht es so: „Die Ehe ist wie ein Einkauf bei Ikea. Man denkt, genau zu wissen, was man will. Zu zweit entdeckt man aber noch Dinge, von denen du vorher gar nicht wusstest, wie wichtig sie für dich sind.“

Auch mit dem Wissen, was Audrey Hepburn und Carrie Bradshaw über Beziehungen denken, fällt es schwer, die Frage erschöpfend zu beantworten, warum junge Paare heutzutage immer noch kirchlich heiraten wollen. Was also sagen die Philosophen? Kirkegaard etwa drückt es so aus: „Bei einer Wahl kommt es nicht so sehr darauf an, dass man das Rechte wählt, sondern auf die Energie, den Ernst, das Pathos, mit welchem man wählt.“ 

Portion Pathos

Damit hätte dann doch jede langstielige Rose, jedes Brautkleid, jeder Schleiertanz und  Hochzeitskitsch seine Berechtigung. Wenn schon heiraten, dann mit allem, was die Hochzeitsindustrie hergibt, inklusive einer gehörigen Portion Pathos? Sollte es schief gehen, spürten Paare zumindest die finanzielle Außergewöhnlichkeit des Festes, wenn schon keine religiöse Erkenntnis. Schon Audrey Hepburn hätte sehr verheiratet sein wollen, der Philosoph Kirkegaard wollte es ebenso. Hören wir doch auf die Philosophie, gerade wegen der hohen Scheidungsraten. Dazu muss man sich trauen, den Mut haben, die richtige Wahl zu treffen. Und warum sollte man auch nicht? Letztlich ist es so: When you know, you know.

Zurück zur Übersicht

<< März 2024 >>
MoDiMiDoFrSaSo
26272829123
45678910
11121314151617
18192021222324
25262728293031
logisch! Zeitung der Katholischen Citykirche Wuppertal