Sonderausgabe, September 2013

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Eine Ehe zu dritt
Über göttlichen Beistand und den guten Ton in einer Verbindung auf Ewigkeit


Die Zahnpastatube, der Klassiker im Ehestreit.
Heute ist sie allerdings aus Kunststoff gefertigt und lässt sich nicht so schön rollen oder Gott sei Dank.

Text Janina Kusterka
Bild Christoph Schönbach

Jede dritte Ehe ist schneller vorbei, als eigentlich gedacht. Der Tod scheidet nur zwei von drei Ehen, um den Rest kümmern sich die Menschen selbst. Nicht nur deshalb könnten einige Gedanken über das Eheleben hilfreich sein, ehe Mann und Frau sich trauen. Bestenfalls, um die Zeitspanne des „für immer und ewig“ zu verlängern. „Entscheidend in der Ehe ist, dass die non-verbale Kommunikation funktioniert. Die ist bei uns perfekt verteilt. Meine Frau verbal, ich non“, schrieb einst jemand unter dem Pseudonym Schlachtzeile bei Twitter. Thomas Otten denkt etwas anders darüber, wie die Kommunikation in einer Ehe gelingen kann. Der Referent für Ehepastoral für Wuppertal und Solingen sagt: Eine Ehe zu führen ist kein Teilzeitjob, es ist ein Auftrag mit unbegrenzter Laufzeit. — So jedenfalls die Idee.

„Schaaatz! Wo steht denn der Zucker schon wieder?“
Eine Szene einer Ehe. Jeder kennt sie. Eltern und Freunde bieten Anschauungsmaterial für Unverheiratete. Hat man einmal Ja gesagt, sitzt man drin, im Boot der Ehe. Ein Hafen ist diese sicher nicht. In einem Hafen legt man an, kann sich zurücklehnen und muss keine Gefahren erwarten. In einer Ehe sitzen beide in einem Boot auf hoher See. Landgänge gibt es nicht, stattdessen müssen die Ehepartner Klippen umschiffen, auf Untiefen achten und dabei auch noch versuchen, Kurs zu halten.

„Schatz, welches Kleid soll ich anziehen?“
Selbst wenn Mann bei dieser Entscheidung aufrichtig helfen möchte, kann er eigentlich nur die falsche Antwort geben. Sie kennen das. Also Kurs setzen auf Schweigen? Thomas Otten, der Referent für Ehepastoral für Wuppertal und Solingen, würde davon sicherlich abraten. Er berät Paare vor und nach der Hochzeit, er ist ein Lotse in Sachen Ehe. Und als guter Lotse geht Thomas Otten mit Bedacht vor. Vor mir sitzt ein schlanker Mann, blond, der sich in seinem Schreibtischstuhl zurücklehnt und erklärt, was das ist – eine gute Ehe.
„Der Zucker steht seit 40 Jahren im Regal oben rechts, mein Herz. Aber denk’ an Dein Cholesterin.“

Sag es!

„Eine Ehe ist auch ein Wagnis, sie bedeutet: Ich sage Ja zu Dir“, erläutert Thomas Otten. Das heißt auch ein Ja zu seiner Vergesslichkeit, wie die Küche sortiert ist. Ja zu andauernden Diskussionen über ihr Outfit, und die passenden Schuhe. Diskussionen von der Einrichtung des Wohnzimmers über die Erziehung bis hin zu gemeinsamen Zukunftsplänen bestimmen den Kurs der Ehe. Auch Thomas Otten sitzt im Eheboot, seit acht Jahren nun. Mit an Bord: eine Crew von vier Kindern. Ein Schiff hat einen Käpt’n. In der Ehe muss der Kurs von einer Doppelspitze festgelegt werden. Dabei ist eines unerlässlich: Kommunikation. Thomas Otten wird nicht müde zu betonen, welche Bedeutung Gespräche haben. In seiner Arbeit als Pastoralreferent hat er drei Schwerpunkte: Ehevorbereitung, Ehebegleitung und Familienpastoral. Mit Gesprächen bringt er Paare ins Gespräch. Statistiken würden die Bedeutung des Sprechens aufzeigen, sagt Thomas Otten. Die Sieben sei hier die magische Zahl. Paare, die weniger als sieben Minuten am Tag miteinander sprächen, trennten sich mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit. Nun zeigen ewige Bundestagsdebatten und endlose Meetings, dass eine lange Diskussion noch lange keine Lösung bringt. Ehepaare sollten deshalb auch lernen, richtig zu kommunizieren. Und richtig zuzuhören.

Als Paar zusammen sein

„Die Partner dürfen nicht nur Eltern sein, denn trotz Kindern sind sie immer noch ein Paar. Dafür müssen sie sich Zeit nehmen“, sagt Thomas Otten. Und auch das klappt nur – mit Kommunikation. Diese ließe sich auch im Alltag führen. Thomas Otten und seine Frau nutzen auch banale Situationen wie Hausarbeit, um sich auszutauschen. So können sie beim Bügeln leicht über die sieben Minuten kommen, und sich anschließend über die faltenfreie Wäsche freuen. Ein Wogen glättendes Gespräch – gleich in zweierlei Hinsicht.

Gerade in Zeiten von Krankheit und schweren Belastungen ginge es nur gemeinsam. Thomas Otten findet, dass sich viele Paare zu schnell trennen. Er spricht von einer „Kultur des Auseinandergehens“. Für ihn ein wesentlicher Grund für hohe Scheidungsraten, die mittlerweile auch für die Kirche Realität geworden seien.

Der Lotse als Knigge

Das Sakrament der Ehe in das Bewusstsein der Menschen zu bringen, und seine christliche Bedeutung aufzuzeigen, das sind wichtige Aufgaben seiner Arbeit als Pastoralreferent. Diese Arbeit mache ihm Spaß, sagt Thomas Otten, mitunter sei sie kurios. Dann wirkt er nicht nur als Lotse, sondern auch als Knigge. Etwa, wenn er übermitteln muss, dass Highway to Hell nicht das passende Lied beim Einzug in die Kirche ist. Oder aber wenn er abwendet, dass ein Hund die Trauringe zum Altar bringt.

Der dritte in der Ehe

Und was macht eine gute Ehe nun letztlich aus? Auch wenn Thomas Otten seit 2005 verheiratet ist, kennt er kein Patentrezept. Man müsse verstehen, dass Ehe nicht heißt, dass aus zweien eins wird. Es seien immer noch zwei Individuen, die trotz aller Unterschiedlichkeit, eine Einheit bilden sollten. Das sei die Herausforderung und gleichermaßen der göttliche Auftrag. Das Vertrauen, dass Gott die Ehe geschenkt habe und ihr Gelingen nicht nur an den eigenen Leistungen hänge, sondern unter seinem Schutz stehe, sei ein zweiter Baustein für eine glückliche Ehe. So gesehen, eine Ehe zu dritt.
Dafür, dass immer noch viele junge Paare kirchlich heiraten wollen, sieht Thomas Otten verschiedene Gründe: Einige wollen die Erwartungen der Familie erfüllen, andere haben Filme mit Traumhochzeiten gesehen, wieder andere wünschen sich aus einer wahrhaftig religiösen Haltung einen göttlichen Segen. Angesichts hoher Scheidungsraten erhoffen sich alle vielleicht vor allem eines: eine himmlische Rücktrittsversicherung. Oder, um in der Seefahrtsmetapher zu bleiben, einen göttlichen Rettungsring, sollte die Ehe mal in einen schweren Sturm segeln. Rücktrittsversicherung und Rettungsring bieten vor allem Sicherheit. Und das ist es auch, was eine Ehefrau besser kann, als eine Freundin: Sicherheit geben. „Wir haben heutzutage die Schwierigkeit, dass es keine Vorgaben mehr gibt, wir besitzen große Freiheiten, selbst zu entscheiden“, sagt Thomas Otten. „Und das ist gleichzeitig auch die Crux: sich aus freien Stücken festzulegen, und nicht von Option zu Option zu tänzeln.“ Ein kleines Ja kann so auf dem unruhigen Meer der Entscheidungen Sicherheit geben. Und vielleicht, aber nur ganz vielleicht, ist die Ehe dann doch irgendwann auch ein Hafen.

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