Ausgabe 7, Dezember 2012

Zurück zur Übersicht

Atomausstieg gleich Strompreiserhöhung?
Strom wird zum Luxusgut, das merken immer mehr Haushalte

Text Eduard Urssu
Bild Christoph Schönbach

Noch vor wenigen Wochen erwiderte Patrick Döring, FDP-Generalsekretär, auf die Frage wie die deutschen Haushalte die rapide steigenden Strompreise zahlen können, vollmundig, dass die Reallöhne in Deutschland in den vergangenen Jahren so stark gestiegen sind wie schon lange nicht mehr. Eine Kompensation oder staatliche Regulierung der Strompreise sieht er somit für nicht erforderlich. Nur steigen die Arbeitslöhne leider nicht in dem Maße, wie die Lebenshaltungskosten. Allen voran die Strompreise, die steigen teilweise um bis zu 15 Prozent. Angeblich ist dafür die so genannte EEG-Zulage verantwortlich. Seit Mitte Oktober ist nun sicher, dass die Strompreise im kommenden Jahr noch stärker anziehen als allgemeinhin befürchtet - mit einer Senkung der Strom- oder Gaspreise rechnet ohnehin niemand. Für eine deutsche Durchschnittsfamilie mit vier Personen bedeutet dies eine Mehrbelastung von bis zu 200 Euro im Jahr, regional sogar deutlich mehr. Seit einiger Zeit verschicken auch die Wuppertaler Stadtwerke Informationsschreiben, in denen die künftigen Preiserhöhungen von rund 11 Prozent erläutert werden. Die Frage ist nur, können sich alle Haushalte diese Preissteigerung leisten. Die Antwort lautet NEIN.

Preisspirale

Bereits im vergangenen Jahr rechnete die Verbraucherzentrale NRW vor, dass 3 Millionen Haushalte Schwierigkeiten hatten, ihre Stromrechnung zu zahlen. In 120.000 Fällen wurde der Strom sogar abgestellt. Ein alarmierender, ein unsozialer Zustand. Das sah auch NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel. Das Ministerium stellt nun bis 2015 rund 1,5 Millionen Euro für ein Projekt namens „NRW bekämpft Energiearmut“ zur Verfügung. Die Verbraucherzentrale NRW berät dabei in Zusammenarbeit mit regionalen Energieversorgern die Energieschuldner zur Existenzsicherung und bietet eine Rechts- und Budgetberatung an. Bei Bedarf werden konkrete Beratungen zum Sparen von Energie vermittelt, die den Menschen helfen, langfristig die Kosten zu senken. Der Bedarf ist immens, schließlich gaben bei einer Befragung seitens der Verbraucherzentrale drei Viertel der NRW-Energieversorger an, dass es immer häufiger Probleme mit Energieschulden gäbe. Eine andere Möglichkeit, etwa eine Sonderzahlung für sozial schwache Haushalte, eine staatliche Regulierung oder gar eine Strompreisobergrenze einzuführen, ist nicht vorgesehen - politisch auch kaum durchsetzbar. Das bestätigt auch das Wuppertaler Sozial-Ressort auf Anfrage: „Zur Zahlung der Energiekosten sowohl bei der Sozialhilfe als auch bei den Leistungen des Jobcenters sind Beträge in den jeweiligen Regelsätzen enthalten. Die Höhe der Regelsätze wird durch den Gesetzgeber festgelegt und kann durch die Stadt Wuppertal nicht verändert werden. Darüber hinausgehende Leistungen, die die Stadt Wuppertal als freiwillige Leistungen zahlen könnte, dürfen im Hinblick auf die finanzielle Lage der Stadt Wuppertal und dem damit verbundenen Haushaltssanierungsplan, nicht geleistet werden.“

Keine Sonderzahlung

Eine Sonderzahlung der Stadt Wuppertal für „Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII ist nicht möglich. Eine generelle Hilfe für Bürger ist leider auch ausgeschlossen, da eine solche Zahlung nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung möglich wäre, die es jedoch zurzeit nicht gibt. Ob die Energiebelieferung eingestellt wird, wenn der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, liegt in der Verantwortung des Energieversorgers.“ Dieser Verantwortung stellen sich unter anderem die Wuppertaler Stadtwerke. Bereits seit zwei Jahren bietet der regionale Energieversorger „eine Hilfe an, die jeder Bürger in Anspruch nehmen kann. Eine Rechtsanwältin, die bei der Verbraucherzentrale angesiedelt ist, berät Wuppertaler mit Energieschulden. Dabei berücksichtigt sie die ganze finanzielle Situation der Kunden und verhandelt dann mit unserem Haus Lösungsmöglichkeiten wie Ratenzahlung. Dieses so genannte Wuppertaler Modell ist jetzt auf weitere NRW-Städte ausgeweitet worden. Selbstverständlich sind auch wir jederzeit ansprechbar und raten dazu, uns frühzeitig anzusprechen, bevor sich der Schuldenberg immer höher türmt“, sagt WSW-Konzernsprecher Holger Stephan. Dieses Wuppertaler Modell kann also helfen. Natürlich ist dies nicht nur im Sinne der Verbraucher. Auch die WSW können so ihre wirtschaftlichen Interessen wahren. Denn Ratenzahlungen finanzschwacher Kunden sind immerhin besser, als keine Zahlungseingänge.

Unterm Strich

Aber gezahlt wird ja, irgendwie... Aber wofür eigentlich? Sind der Ausstieg aus der Atomenergie und der Ausbau der erneuerbaren Energien die alleinigen Gründe für die finanzielle Mehrbelastung der Bürger? Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sagt „Nein“. Die Umlage für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) steigt im kommenden Jahr um rund 50 Prozent auf 5,277 Cent pro Kilowattstunde, aber „der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist nicht der wesentliche Treiber für steigende Strompreise. Nicht einmal die Hälfte der Umlage für das kommende Jahr geht auf die reinen Förderkosten für 2013 zurück“, sagt BEE-Präsident Dietmar Schütz. An dem enormen Anstieg der EEG-Umlage ist vielmehr eine immer stärker ausgeweitete Industrieförderung verantwortlich. „Die Politik hat die Umlage mit immer neuen Zusatzkosten aufgebläht. Umgekehrt werden die preissenkenden Effekte der Erneuerbaren Energien bisher nicht an die Privatkunden weitergegeben“, kritisiert Dietmar Schütz. Werden Privathaushalte einerseits zur Kasse „gebeten“, werden andererseits energieintensive Industriezweige entlastet. Hier rechnet der Bundesverband Erneuerbare Energien vor: „Während die Haushaltsstrompreise seit 2008 um rund 20 Prozent gestiegen sind, sind die Preise für Industriekunden im selben Zeitraum sogar um 3 Prozent gesunken. Die Energiewende ist somit nicht hauptverantwortlich für steigende Haushaltsstrompreise.“

Am Ende

Die Diskussion, wie die künftige Strompreisgestaltung aussehen kann, hat allerdings erst begonnen. Bis sie zu irgendeinem Ergebnis führt, muss die Stromrechnung aber bezahlt werden. Wer schon jetzt merkt, dass dies in naher Zukunft in eine vielleicht prekäre Situation führt, kann sich zum Beispiel an die Verbraucherzentrale unter der Rufnummer 0202 44 77 32 wenden. Die Verbraucherzentrale bietet, neben den Tipps wie man Energie einsparen kann, auch Informationen, wie man auch günstige Energieversorger findet. Für das Beratungsangebot der Wuppertaler Stadtwerke ist die Rufnummer 0202 569-5151 zu wählen.

Zurück zur Übersicht