Ausgabe 18, Mai 2017

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Meldeangelegenheiten extrem
Einmal vom Dönberg zum Einwohnermeldeamt und zurück

Text Daniela Ullrich

Elberfeld und Barmen, eine Zwangsehe, die bald 90 Jahre währt, die irgendwie halt funktioniert, aber doch immer wieder auf die Probe gestellt wird. Auf die Geduldsprobe gestellt wird der Wuppertaler im Allgemeinen und der Elberfelder im Besonderen zum Beispiel in Sachen Meldewesen. Denn um eine Passangelegenheit im Einwohnermeldeamt zu regeln, musste ebendieser Bürger durchaus schon einmal einen ganzen Urlaubstag nehmen. „Der Zustand im Einwohnermeldeamt war im vergangenen Jahr für die Bürgerinnen und Bürger aber auch für die Kolleginnen und Kollegen wiederholt unzumutbar gewesen.“

Mit diesen Worten hatte Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke höchstpersönlich die Diskussion zu Tagesordnungspunkt 11.3 der Ratssitzung im Februar dieses Jahres eröffnet. Der „Beschluss der Verwaltung zur Optimierung des Einwohnermeldeamtes“ bedeutet verkürzt gesagt: Mehr Serviceplätze, längere Öffnungszeiten am Steinweg und erweiterter Service in den Bürgerbüros. Aber das Maßnahmenpaket sieht ebenfalls vor: Elberfeld bekommt weiterhin keine Zweigstelle.

Die mehr als 130.000 Einwohner der drei Elberfelder Stadtbezirke müssen sich also auch weiterhin auf den Weg in andere Stadtteile machen, um Meldeangelegenheiten zu regeln. Wobei der Steinweg dafür erste Wahl bleiben wird – selbst für den Elberfelder. Aber nicht nur führen nach Rom respektive Barmen viele Wege, man kann sie auch auf verschiedene Art beschreiten. Das wusste auch schon Frau J. aus W. in den 1990er Jahren. Die mittlerweile pensionierte Erdkunde-Lehrerin brachte dies wie folgt und mit einem kernigen osteuropäischen Akzent zum Ausdruck: „Zu Fuß, mit dem Pferd oder dem Wagen.“

Stellen wir uns also vor: Auf dem Dönberg, genauer gesagt in Siebeneick, lebt die Familie Müller. Müllers haben ein Kind. Es besucht bereits die Oberstufe einer weiterführenden Schule – und: Plötzlich ist Brexit. Das konnte freilich keiner ahnen, als man vor eineinhalb Jahren beim Elternabend Großbritannien als Ziel für die nächste Klassenfahrt gewählt hatte – der Sprache wegen, nicht des Essens wegen natürlich.

Der Sicherheit wegen sollte man nun vielleicht doch einen Reisepass für das genannte Kind beantragen. Wo tut man das? Im Einwohnermeldeamt oder im Bürgerbüro. Gut, ein solches bekommt Elberfeld ja eben nicht, weshalb sich Herr und Frau Müller dazu entscheiden – der Gewohnheit wegen – nach Barmen rüber zu machen.

Herr Müller nimmt zunächst das Auto: Bei normalem Verkehr ist es dem motorisierten Bürger möglich, die Strecke von knapp zehn Kilometern innerhalb von einer Viertelstunde zu bewältigen. Der Kartendienst Google empfiehlt natürlich die schnellste Route: über die A46, wo von normalem Verkehrsaufkommen während Behördenöffnungszeiten wohl eher selten die Rede sein kann. Aber gut. 

Frau Müller will bis zum Sommer noch ein wenig abnehmen und nimmt deshalb das Rad - über die Nordbahntrasse ist das „hin“ natürlich sehr komfortabel. Die 8,4 Kilometer sind bergab in etwas über einer halben Stunde geschafft. Für den Rückweg, zum DönBERG hinauf, hat Frau Müller aber nicht nur mehr Zeit eingeplant, sondern auch ein T-Shirt zum Wechseln eingepackt.

Am Einwohnermeldeamt trifft sich das Ehepaar Müller dennoch fast zeitgleich: Denn Herr Müller hat erst einmal keinen Parkplatz gefunden, musste dann noch einen Parkschein am Automaten ziehen. Auf ihr Kind allerdings warten Müllers vergeblich. Das hatte sich nämlich mit dem ÖPNV auf den Weg machen wollen. Unter 50 Minuten – einfache Fahrt – ist das Einwohnermeldeamt von Siebeneick sowieso nicht zu erreichen, obwohl doch nach nur einem Kilometer Fußweg zur Haltestelle Velbert, Kopfstation, nicht einmal ein Umstieg nötig ist, da die Linie 627 bis zum Alten Markt fährt - wenn der Bus nicht, wie an diesem Tag, ausfällt.

Aber dank bereits gemachter aktueller Fotos kann der Pass auch in Abwesenheit des Kindes beantragt werden. Ehepaar Müller ist trotzdem genervt: Mutter Müller hat auf dem Rückweg nun den Berg vor sich, Vater Müller wird in den Berufsverkehr geraten. Abgeholt werden soll der Pass in ein paar Wochen daher ganz entspannt zu Fuß, immerhin ist das Wandern des Müllers Lust.

Nur zwei Monate später haben die Müllers auch schon Post: Das Ausweisdokument ist da. Los geht es: Durch den Mirker Hain und über die Hardt dauert das ein wenig mehr als eineinhalb Stunden, ist landschaftlich aber viel schöner als gedacht. Auf das Kind warten Müllers diesmal nicht vergeblich: Auf dem Rücken von Pony Lotte hat auch der lauffaule Nachwuchs den Weg zum Einwohnermeldeamt gefunden. Das Tier kann kurzerhand an der Radabstellanlage angebunden werden und bekommt einen Sack Hafer um den Hals gehängt. Müllers sind glücklich: Der Reise des Kindes ins Vereinigte Königreich steht nichts mehr im Wege - wobei: Wird ein Elberfelder ohne gültigen Reisepass überhaupt in Barmen reingelassen? Womit wir dann doch wieder bei der Zwangsheirat vor 90 Jahren wären.

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