Ausgabe 18, Mai 2017

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Der gute Gärtner
Leben und Tod – tagtäglich begegnet ihnen Bernhard Iding mit Humor und Empathie.

Die christliche Sterbekultur und dessen Symbolik ist Teil des beruflichen Alltags von Bernhard Iding.

Text und Bild Eduard Urssu

Es ist nicht der größte Friedhof Wuppertals, beileibe nicht. Mit seinen knapp eineinhalb Hektar Grundfläche gehört die katholische Gräberanlage an der Hochstraße eher zu den überschaubaren ihrer Art. Dafür ist es aber der älteste katholische Friedhof in der Stadt, das weiß Friedhofsgärtner Bernhard Iding, seit er in den Papieren das Gründungsjahr 1843 entdeckt hat. Bernhard Iding ist nicht nur Friedhofsgärtner, sondern auch Verwalter, Trostspender und Ansprechpartner in jeder Lebenslage. Letzteres ist wohl um das Adjektiv „schwierigen“ zu erweitern. Denn Bernhard Idings ständiger Begleiter ist von Berufswegen nun mal der Tod. Doch dem gebürtigen Bocholter macht das wenig aus. Fast 20 Jahre lang war er der Friedhofsverwalter für die Gemeinde Sankt Laurentius. Seit 2006 ist er nun, gemeinsam mit Werner Drögemeier, Pächter der Friedhofsgärtnerei. Ein guter Gärtner zu sein, reicht dafür aber nicht aus.

Der Eingang des Friedhofs liegt an der Hochstraße 11, zur Linken die kleine Friedhofskapelle, erstreckt sich halbrechts eine Fläche mit knapp 4.500 Gräbern. Die Friedhofsfläche ist dicht belegt. Das Parkähnliche vieler Gräberanlagen, etwa aus dem Anfang des vergangenen Jahrhunderts, geht dieser Ruhestätte etwas ab. Die Anordnung folge einem funktionalen Rastersystem, erklärt Bernhard Iding. Die doch eher nüchtern wirkende Verteilung der Gräber entlang des Weges, offenbart schmuckvolle Einzel- und Familiengräber. Große Engel aus Bronze, überdimensionale Putten, detailreich verzierte Marmorplatten – Besucher sehen beeindruckende Darstellungen. Das Grab von Anna Katharina Kolping und das von Johann Carl Fuhlrott, nur wenige Schritte voneinander entfernt, gehören da zu den schlichteren Grabstätten.

Auf den schmalen Wegen wird Bernhard Iding immer wieder von Friedhofsbesuchern angesprochen. In den Händen das frisch gerupfte Unkraut, winken sie ihm zu. Ein paar freundliche Worte hier, ein Händeschütteln da. Bernhard Iding scheint immer auf Achse. Doch wenn es nötig ist, dann nimmt er sich Zeit; und hört einer Frau am Grab ihres Vaters zu: „Letzten Freitag war es soweit. Es ging dann alles sehr schnell. Jetzt liegt er neben der Mutter. Scheiß Krebs!“ Bernhard Iding wünscht ihr viel Kraft. Seine Sätze mögen knapp sein, doch sie sind verbindlich. Sind ihm die Menschen auf dem Friedhof bekannt? „Natürlich“, antwortet Bernhard Iding, „ich kenne hier jeden mit Namen! Man kommt sich hier sehr nahe, lernt die Menschen auf einer sehr persönlichen und emotionalen Ebene kennen.“ Auch die Toten sind Bernhard Iding vertraut; so wie die Grabstellen, die Blöcke und Figuren aus Granit und Marmor, aus Bronze und Stahl, so dass ihm selbst kleinste Veränderungen auffallen: „Das Kreuz hier fällt etwas zur Seite ab. Das müssen wir mit Zement unterfüttern“, sagt er.

Auch Gräber bekannter wuppertaler Persönlichkeiten finden sich auf dem Friedhof.

Schnellen Schrittes geht es weiter Richtung Kolumbarium, vorbei am großen Kreuz, das zu Allerheiligen im Zentrum von Totengedenken und Gräbersegnung steht. Gelebte Tradition. Das Kolumbarium hingegen entspricht den Wünschen einer neueren Bestattungskultur. Während etwa bei Familien aus Polen, Kroatien oder Russland meist noch immer Erdbestattungen gewünscht sind, fragen die deutschen inzwischen mehr nach Urnenbestattungen. Die Ruhezeit sei gleich. „20 Jahre Minimum“, sagt Iding und ohne Worte schwingt ein „ganz sicher“ in seiner Aussage mit. Die Urnen werden hinter rechteckigen Steinplatten eingebracht. Auf den Platten finden sich manchmal Fotografien der Verstorbenen, manchmal nur ein Name mit dem Geburts- und dem Todesdatum, manchmal nicht einmal das. „Die Bestattungskultur hat sich in den letzten 15 Jahren stark verändert“, erklärt Bernhard Iding. „Heute wird teilweise mehr Wert auf die Beerdigungszeremonie und weniger auf die Grabstätte gelegt. Das war früher genau umgekehrt.“ Zudem habe sich seiner Erfahrung nach der Umgang der Menschen mit Sterben und Tod deutlich verändert. Der Tod habe scheinbar keinen Platz mehr im Bewusstsein der Hinterbliebenen. „Dabei gehört der Tod doch zum Leben dazu“, sagt Iding, der im Aufkommen der Hospizdienste allerdings auch einen Gegentrend ausmacht. Und er selbst? Hat er sich denn schon mit seinem Tod beschäftigt? „Nein“, sagte er und lacht dabei verschmitzt, „noch nicht“.

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