Ausgabe 17, Juni 2016

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Sicherheit ist ein fragiles Ding
Für die Innere Sicherheit soll die Polizei sorgen. Wer aber sorgt für das sichere Gefühl?

Wo Rauch ist, ist da auch Feuer?

Text Eduard Urssu
Bild Shutterstock

Welche Faktoren sind für Sicherheit oder das Sicherfühlen verantwortlich? Wie muss ein Leben sein, damit wir es als sicher empfinden? Spätestens seit den Terroranschlägen in Paris, in Istanbul und in Brüssel ist eines klar: Sicherheit ist ein fragiles Ding! Eine konkrete Terrorgefahr besteht in Deutschland zwar nicht, aber ein schaler Geschmack bleibt, wenn weiterhin von mangelnden Absprachen zwischen den europäischen Geheimdiensten die Rede ist. Auch die Vorfälle auf dem Domvorplatz in Köln zu Silvester haben nicht gerade für mehr Vertrauen in die Sicherheitskräfte gesorgt. Und wenn angesichts steigender Einbruchszahlen in NRW ein Einbruchs-Radar als adäquates Mittel zur Vorbeugung angepriesen wird, dann schwindet das Vertrauen in die Staatsmacht zusehends.

Einbruchs-Radar

Von April an sollen alle Polizeibehörden im Internet Karten veröffentlichen, welche die Wohnungseinbrüche dokumentieren. Für die Vorsichtsmaßnahmen sind die Bürger hauptsächlich auf sich allein gestellt, mal abgesehen von Beratungsangeboten der örtlichen Polizeidienststellen. Schließlich soll der Einbruchs-Radar lediglich zur Vorsorge sensibilisieren. Allerdings warnen Datenschützer schon lange, dass solche Datensammlungen im Internet fragwürdig seien, und dem Wunsch der Regierung nach mehr Informationen womöglich Vorschub leisteten. Zudem, da sind sich Verbraucherschützer nahezu einig, verteuere solch ein Radar auf lange Sicht die Versicherungspolicen für Häuser in Gebieten mit vielen Einbrüchen. Ergo: Sicherheit ist nicht nur eine fragile, sondern auch eine teure Angelegenheit.

„Insgesamt leben wir in einem sehr, sehr sicheren Land.“

NRW-Innenminister Ralf Jäger wiederum ist sich sicher, dass der dramatische Anstieg von Wohnungseinbrüchen nichts NRW-Spezifisches sei. Schließlich habe man seit 2014 einen völlig neuen Täter-Typus ausgemacht: Umherreisende osteuropäische Banden, die sich einerseits das gut ausgebaute Verkehrsnetz zu Nutzen machten, andererseits innerhalb des Schengen-Raums unbehelligt umherreisen könnten. Was für viele Bürger nach fauler Ausrede klingt, nimmt die Opposition zum Anlass, der NRW-Regierung eine „Bilanz des Scheiterns“ vorzuhalten. Mehr noch, für FDP-Innenexperten Marc Lürbke hat die SPD-geführte Landesregierung die „Alarm-signale der Polizei“ schlichtweg ignoriert. Da nutzt es auch kaum, dass Innenminister Ralf Jäger betont, dass doch Jugendkriminalität und Gewaltdelikte, Mord und Totschlag rückläufig sind: „Insgesamt leben wir in einem sehr, sehr sicheren Land.“ Aber „insgesamt“ ist nicht genug. Vor allem nicht genug für ein gutes, sprich sicheres Gefühl. Denn „insgesamt“ bietet zu viel Interpretationsspielraum.

Personalmangel

So mutet es auch nicht gerade vertrauenserweckend an, wenn sich Politik und Exekutive über Personalstärke und Ausrüstung der Polizeidienststellen streiten. So geschehen wegen der mangelnden Erfolgsbilanz der Polizei. Denn neben den gestiegenen Wohnungseinbrüchen ist auch die Aufklärungsquote schlichtweg besorgniserregend. Nur bei etwa jedem siebten Einbruch werden die Täter ermittelt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) führt das auch auf einen verordneten Personalmangel zurück, wie sie es ausdrückt. Arnold Plickert, stellvertretender GdP-Bundesvorsitzender, geht noch weiter. Seiner Ansicht nach gibt es bei den meisten Einbrüchen genügend Spuren, um die Täter dingfest zu machen: „Nur weil das Land bei den Stellen in der Kriminaltechnik spart, können wir die Täter nicht überführen.“ Bis zu 100 Fälle bekäme ein Sachbearbeiter der Kriminalkommissariate im Schnitt jeden Monat auf seinen Schreibtisch gelegt, selbst während Urlaub und Weiterbildungen kämen neue Fälle dazu. Wolfgang Spies, zuständiges Vorstandsmitglied der GdP für die Kripoarbeit, hatte deshalb bei einem Kriminalforum im November kritisiert, dass unter diesen Voraussetzungen bei vielen Einbrüchen ein echtes Ermittlungsverfahren nicht mehr stattfindet: „Liegen keine Zeugenaussagen oder Anhaltspunkte vor, die auf Tatverdächtige schließen lassen, wird die Mehrzahl der Fälle ohne weitere Nachforschungen eingestellt.“

Nachfrage nach Sicherheitsartikeln

Gesellschaftlich könnte ein mangelndes Sicherheitsgefühl schwerwiegende politische Konsequenzen haben. Je mehr Sicherheitsverantwortung auf die Bürger abgewälzt wird, umso größer ist die Gefahr, dass eben diese Bürger im Gegenzug auch die Ausführung exekutiver Aufgaben für sich in Anspruch nehmen; etwa durch die Straßen zu patrouillieren und nach dem Rechten zu schauen. Solche Bürgerwehren sind zwar meist genauso schnell wieder verschwunden, wie sie entstanden sind. Aber auch den Hogesa- und den Pegida-Aufmärschen hatte man anfangs keine lange Lebensdauer vorhergesagt. Darüber hinaus hat sich die Nachfrage nach Sicherheitsartikeln im vergangenen Jahr verdoppelt, Tendenz weiter steigend. Besonders beliebt sind Pfefferspray, Schreckschuss- und Gaspistolen. Eine Entwicklung, die nicht nur der Polizei Sorgen bereiten sollte.

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