Ausgabe 12, August 2014

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„Wichtiges Kulturgut“
Gefährdet TTIP auch die Buchpreisbindung?


Bücher sind mehr als ein Nutzgegenstand. Gegenüber der Buchhandlung v. Mackensen findet man den „Offenen Bücherschrank“, hier finden gebrauchte Bücher zu neuen Besitzern.

Interview Eduard Urssu
Bild Christoph Schönbach

Das Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, kurz TTIP, betrifft nicht nur die sogenannten „Chlorhühnchen“. Uneingeschränkter Handel in allen (Wirtschafts-)Bereichen des Lebens, das fordern die Lobbyisten. Die deutsche Buchpreisbindung ist ihnen dabei der sprichwörtliche Dorn im Auge. Welche Folgen ein Aufweichen oder gar eine Abschaffung der Buchpreisbindung hätte, kann derzeit kaum jemand abschätzen. Im Interview mit logisch!-Autor Eduard Urssu erklärt Michael Kozinowski, Inhaber der Buchhandlung v. Mackensen, dass bei den TTIP-Verhandlungen ein wichtiges Kulturgut auf dem Prüfstand steht.

Redaktion: Welche Gefahren birgt das Freihandelsabkommen für den klassischen Buchhandel?

Kozinowski: In der Branche gibt es Befürchtungen, dass es Auswirkungen auf das Urheberrecht hat. Das Gemeine an den Verhandlungen ist aber, dass viele Dinge im Verborgenen geschehen und wir nicht wissen, was dort verhandelt wird. Ich sage es mal vorsichtig: Das Buch ist auch ein betriebswirtschaftlich zu betrachtendes Medium. Aber darüber hinaus ist es ein Kulturgut. Und ob das jetzt in diesem Freihandelsabkommen gut aufgehoben ist, da habe ich so meine Zweifel.

Redaktion: Welche Funktion hat die Buchpreisbindung in Deutschland?

Kozinowski: Die Buchpreisbindung schützt das Kulturgut ‚Buch’. Schon zu Zeiten von Helmut Schmidt gab es Bestrebungen, die Buchpreisbindung abzuschaffen. Auch seitens der EU gab es schon solche Bestrebungen. Das ist aber nicht gelungen. Seitdem haben wir in Deutschland ein Preisbindungsgesetz. Vorher war es eine freiwillige Vereinbarung der Branche, die notariell gestützt wurde. In Ländern wie England, wo die Buchpreisbindung abgeschafft wurde, merkt man, dass die Titelzahlen radikal zurückgegangen sind. Die Bestseller sind preiswerter geworden, weil sie als Lockangebote benutzt werden – auch in Supermärkten und Kaufhäusern. Die Auflagen experimenteller Literatur sind gesunken und deutlich teurer geworden.

Redaktion: Falls die Buchpreisbindung fällt, fehlen uns dann ein Peter Handke oder ein Christoph Ransmayr?

Kozinowski: So könnte man es ausdrücken. Also, die Buchpreisbindung gestattet Mischkalkulationen. Ein Bestseller wie Günter Grass finanziert eben junge Autoren mit. Und Autoren müssen eine Chance kriegen, sich auszuprobieren und auch mal einen Flop hinzulegen, nur daraus können sie lernen. Das Buch würde zu der Ware, zu der manche Marktteilnehmer sie ja heute schon machen wollen. Das würde ich sehr bedauern.

Redaktion: Die Global Player wie Amazon haben auch ein großes Interesse, den E-Book-Markt zu liberalisieren. Wie sieht es in diesem Bereich aus?

Kozinowski: E-Books werden sicherlich eine große Rolle spielen, weil ja ohnehin der E-Book-Markt in Deutschland und vor allem in den USA von den großen Playern Amazon und Apple beherrscht wird. Die werden ein großes Interesse an diesem Abkommen haben. Ob deutsche Verlage daran Interesse haben werden, möchte ich bezweifeln. Beim deutschen Buchhandel macht der Umsatz im Bereich E-Books gerade einmal zweieinhalb Prozent aus.

Redaktion: Warum ist der Umsatz so gering?

Kozinowski: Das große Problem ist, dass sie hier kein Buch erwerben, sondern nur das Recht, ein Buch zu lesen. Im Prinzip dürfen sie das E-Book ja gar nicht verleihen. Sie dürfen es der Nachbarin nicht geben, Sie dürfen es nicht verschenken. Das funktioniert alles nicht. Das E-Book ist immer an ein oder zwei Geräte gekoppelt. Sie müssten schon den Reader mitgeben, wenn sie es dem Nachbarn zu Lesen geben wollten. Das Modell ist in Deutschland noch nicht ganz zu Ende gedacht. Deswegen glaube ich auch nicht, dass die Marktanteile sehr stark wachsen werden. Bei Amazon kommt noch das Gefährliche hinzu, wenn Amazon einen Vertrag mit einem Hersteller eines E-Books ändert, kann er ihnen das E-Book auch wieder wegnehmen. Es kann durchaus passieren, dass auf ihrem Rechner einfach mal Bücher verschwinden, weil Amazon einen anderen Vertrag abgeschlossen hat oder feststellt, dass die Inhalte nicht den Konzernvorstellungen entsprechen. Weil sie vielleicht pornografisch oder politisch nicht eindeutig sind. Das ist ja schon passiert.

Redaktion: Aktuell zeichnet sich ein leichter Aufschwung im klassischen Buchhandel ab. Woran liegt das?

Kozinowski: Das Konzept der Großflächenbuchhandlung ist offensichtlich nicht aufgegangen. Es waren zwar schon ganz viele bunte Bücher in Massen auf einem Stapel zu sehen, aber das alleine reicht nicht. Diese Buchhandlungen haben vergessen, dass sie auch Mitarbeiter brauchen, die auch kompetent und überzeugend und schwärmerisch vom Buch reden können. Das ist ja alles abgebaut worden. Und Kunden haben eben auch gemerkt, dass es nicht reicht, wenn irgendwo etwas rumliegt, sie müssen auch informiert werden. Der Inhaber geführte Buchhandel hat im letzten Jahr zwar nur in kleinen Summen zugenommen. Aber der Marktanteil der unabhängigen Buchhandlungen liegt jetzt wieder über 50 Prozent. Und das ist eine schöne Zahl. Ein Freihandelsabkommen, in der aktuell befürchteten Form würde diesem Wachstum die Grundlage entziehen.

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