Ausgabe 12, August 2014
Der öffentliche Raum, wie hier das Elberfelder Rathaus, sollte ein Platz des gesellschaftlichen Diskurs sein, für alle Bürger und Gruppen einer Stadt.

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Keine reine Privatsache

Text Dr. Werner Kleine
Video Christoph Schönbach

Wuppertal im Frühjahr 2014. Mit der Aktion „TalPassion“ bringt die Katholische Citykirche Wuppertal den Kreuzweg in die Öffentlichkeit der Stadt. In ihrem Auftrag hatte die Künstlerin Annette Marks acht Szenen der biblischen Passions- und Auferstehungsüberlieferung gemalt. Die Originale hängen in der Basilika St. Laurentius. Großformatige Reproduktionen werden in der Innenstadt von Wuppertal-Elberfeld präsentiert und ergeben einen fast drei Kilometer langen Kreuzweg. Zwei Szenen – die Auferstehung und die Kreuzigung – hängen an dem städtischen Verwaltungsgebäude am Neumarkt, dem alten Elberfelder Rathaus. Und diese zwei bedruckten Planen werden zum Stein des Anstoßes für einige Bürgerinnen und Bürger, die sich selbst als Atheisten bezeichnen. Unter anderem meldete sich die Gruppe „Religionsfrei im Revier“ zu Wort, die mit der religionskritischen Giordano- Bruno-Stiftung verbunden ist.

Der Ton ist von Beginn an scharf. Unter Berufung auf das staatliche Neutralitätsgebot und die Notwendigkeit der Trennung von Staat und Kirche wird der Kirche das Recht abgesprochen, sich überhaupt öffentlich zu äußern. Religion sei Privatsache, finden die Kritiker. Gegen die Verkündigung im Raum der Kirche könne man nichts unternehmen – aber dort solle sie gefälligst auch bleiben. Das „Maß des Erträglichen“ sei mit dem Aushang der Kreuzweg-Bilder im öffentlichen Raum nun überschritten.
Es ist gut, dass wir in einem Land leben, in dem jeder seine Meinung sagen darf. Es ist gut, dass Kritik an einer kirchlichen Aktion frei geäußert werden kann – auch wenn Art und Weise bisweilen an die Grenzen der guten Sitten stoßen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das es zu verteidigen gilt. Doch dieses ist untrennbar mit dem Grundrecht der Bekenntnisfreiheit verbunden. Meinungs- und Bekenntnisfreiheit bedingen nicht nur einander; sie bilden auch die Grundsäulen der Demokratie. Wer das freie Bekenntnis einschränkt – oder einer gesellschaftlichen Gruppe das Recht des öffentlichen Bekenntnisses abspricht, – gefährdet eben diese Demokratie. Sicher ist die Entscheidung für ein Bekenntnis Privatsache. Sache des Staates aber ist es, die öffentliche Ausübung des Bekenntnisses zu ermöglichen und zu schützen.
Hierin äußert sich die gebotene Neutralität des Staates. Und diese Neutralität darf keine sein, die eine Stellungnahme verhindert. Aufgabe des Staates ist vielmehr, das freie und öffentliche Bekenntnis zu schützen, ohne dabei einzelne Weltanschauungen zu bevorzugen. Wo sonst, wenn nicht in einem öffentlichen Gebäude, wie in einem Rathaus, dessen Funktion doch der gesellschaftliche Diskurs ist, sollte das möglich sein? Selbstverständlich nicht nur für uns Katholiken, sondern auch für Gruppen mit anderen Bekenntnissen und Weltanschauungen. Es stimmt, dass nicht jede Meinung gefällt. Manche muss man auch ertragen. Wer aber anderen den Mund verbieten möchte, beschädigt ein Recht, von dem er selbst Gebrauch macht.

 

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