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Trumps Bromance mit dem Latino-Autokraten

Die US-Regierung deportiert öffentlichkeitswirksam Migranten nach El Salvador. Warum eigentlich?


Es gibt keine freie Berichterstattung aus dem Hochsicherheitsgefängnis Cecot, in dem Trump die illegal deportierten Migranten verschwinden lässt. Vor dessen Eröffnung 2023 hatten sich für mich überraschend die Tore eines Untersuchungsgefängnisses in der Hauptstadt geöffnet.

Ein Essay und Fotos von Øle Schmidt

Es sind martialische Bilder, die uns aus den USA erreichen. Männer mit heruntergedrückten Köpfen in Handschellen und Fußfesseln werden von Soldaten in Militärmaschinen getrieben, deren Rotoren dröhnen. Heimatschutz in Musikclip-Ästhetik, frisch aus dem Wahrheitsministerium im Weißen Haus.

Überfällige Abschiebung von Terroristen aus unserem Land – jubeln dann auch die Macher mit nationalistischem Schaum vor dem Mund. Juristen mit tief zerfurchter Stirn sehen einen Verfassungsbruch und warnen vor der Abschaffung des Rechtsstaats.

Es schlägt nicht nur in den USA hohe Wellen, dass Trump seit seinem Amtsantritt mehr als 250 Venezolaner und Salvadorianer nach El Salvador abgeschoben hat; öffentlichkeitswirksame Direktflüge in die überfüllten Zellen eines lateinamerikanischen Autokraten, den nicht wenige einen Diktator nennen.

Ja, unter den Deportierten sind verurteilte Mitglieder der kriminellen Bande Tren de Aragua, doch bei weit mehr als der Hälfte von ihnen gibt es keinerlei rechtsstaatliche Beweise für Straftaten – allein die großmäulige »Gewissheit« der Trump-Minister darüber.


Dreckig waren die Zellen und hoffnungslos überfüllt. Die Polizisten behandelten die Gefangenen wie Tiere; sperrten so viele von ihnen in eine kleine Zelle ohne Betten und Dusche, dass sie sie nachts abwechseln mussten, wenn sie auf dem Steinboden schliefen.

Die Regierung beruft sich auf ein umstrittenes Gesetz aus dem Jahr 1798. Der »Alien Enemies Act« erlaubt es dem Präsidenten, in Kriegszeiten und bei Invasion einer »feindlichen Nation«, Menschen ohne reguläres Verfahren zu inhaftieren und abzuschieben. Juristisch nicht haltbar, urteilte daraufhin ein Bundesrichter, und verbot die Abschiebungen. Doch die Flieger hoben ab.

Dass die Trump-Administration eine richterliche Entscheidung bewusst missachtet, hat letztlich wenig mit unterschiedlicher Auslegung geltenden Rechts zu tun, und ist weit mehr als der Alleingang eines geltungssüchtigen Präsidenten. Allem Anschein nach sind wir Zeugen der Kriegserklärung einer Regierung an ihre eigene Justiz. Ein weiterer Versuch, der Gewaltenteilung so viele Stöße zu versetzen, bis sie außer Kraft gesetzt ist. Weniger höflich formuliert: Es riecht verdammt nach kaltem Putsch!

Verschwinden Gefangene in einer transnationalen Strafkolonie?

Besonders viel Aufsehen erregte die Abschiebung von Abrego Garcia. Der 29-jährige Salvadorianer war in Baltimore wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Bande festgenommen und drei Tage später in das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis Cecot nahe der Hauptstadt San Salvador deportiert worden. Ohne Anklage, ohne Verurteilung, und trotz eines legalen Aufenthaltstitels. Garcia war 2011 vor Bandengewalt in seiner Heimat in die USA geflohen. Wegen drohender politischer Verfolgung in El Salvador stand er unter Abschiebeschutz.


Die tropische Hitze lag schwer in der Luft, es roch nach Urin und Schweiß. Gefangene in einer Großraumzelle zeigten das Handzeichen ihrer Jugendgang, der Mara Salvatrucha.

Ein Repräsentant der Menschenrechtsorganisation Cristosal kommentierte dann auch die trumpsche Praxis in seiner Heimat ernüchtert: »Es ist besorgniserregend, wenn die USA unerwünschte Personen ohne jegliche Rechte in El Salvador verschwinden lassen, wie in einer transnationalen Strafkolonie. Die Gefangenen werden hier unter dem seit drei Jahren geltenden Ausnahmezustand komplett abgeschirmt, kein Kontakt nach draußen, sie verschwinden einfach.«

Nicht wenige hatten die ehrabschneidenden Aussagen von Donald Trump über papierlose Migranten (»vergiften das Blut unserer Nation«, bringen »schlechte Gene« ins Land, sind »Mörder«, aus dem »Knast, aus psychiatrischen Einrichtungen«) noch als ungehobeltes Wahlkampfgetöse abgetan. Doch seitdem nun sein stellvertretender Außenminister eine erste Gruppe südafrikanischer Fake-Migranten als »gutes Saatgut« willkommen hieß, ist der Kurs wohl auch ganz offiziell auf Blut-und-Boden gestellt.

Völkischer Rassismus in Trumplandia, unverschämt, ganz ohne rot zu werden: dunkelhäutige »Bohnenfresser« werden gegen richterlichen Willen in einen alttestamentarischen Knast außer Landes deportiert, bleichgesichtige Südafrikaner als potente Ehrengäste eingeflogen, nachdem Trump eigens für sie einen Genozid herbei halluziniert hatte. (»Bauern werden getötet. Sie sind Weiße.«)


Als ich mich seiner Zelle näherte, zeigte der junge Gefangene selbst beschriebene Zettel: »Christus ist der König«. Und er selbst war in einer Vorhölle gefangen. Ein Priester hatte informell bei dem Gefängnisdirektor sechzig Minuten Aufenthalt für mich ’rausgehandelt.

Der Oberste Gerichtshof in Washington D.C. verdonnerte die Regierung dazu, dem widerrechtlich abgeschobenen Abrego Garcia die Rückkehr in die Vereinigten Staaten zu ermöglichen. Die Trump-Administration räumte daraufhin zwar einen »Verwaltungsfehler« ein, zurückkehren könne der Familienvater, der mit einer US-Bürgerin verheiratet ist, jedoch nicht. Wider besseres Wissen lieferte die Regierung dafür eine Begründung, die keine ist: Es sei allein an El Salvador zu entscheiden, was mit Abrego Garcia geschehe.

Bukele spielt eine wichtige Rolle in Trumps amerikanischer Kulturrevolution

Spätestens an diesem Punkt tritt der Latino-Autokrat Nayib Bukele auf den Plan. »Lächerlich« sei die Frage, ob er sich für Abrego Garcia einsetzen werde, bellte der Präsident von El Salvador einen Journalisten an. Wie könne er »einen Terroristen« in die USA schmuggeln? Er werde Garcia »natürlich nicht« zurückschicken; und auch nicht aus dem Gefängnis entlassen. Sprach’s und grinste Donald Trump vielsagend an.

Das sah schwer nach Bromance zwischen Donald und Nayib aus, einer Romance also der beiden Bros Trump und Bukele. Und in der Tat spielen Bukele und sein kleines El Salvador eine gewichtige Rolle in Trumps großer amerikanischer Kulturrevolution.

Es ist Bukele, der Trumps Testballon von Deportationen nach Gusto landen lässt – bei dessen Versuch, ein Verfassungsrecht zu demontieren, das jedem in den USA lebenden Menschen vor Willkür schützen soll: das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren.


Einmal die Woche versorgt der Priester die hunderte Vergessenen mit dem Nötigsten. Immer freitags bringt er Medikamente, Hygieneartikel und Lektüre: den National Geographic und das Neue Testament. Um seine Arbeit nicht zu gefährden, zeigen wir den Priester nicht im Bild und erwähnen auch den Gefängnisnamen nicht.

Mit der Unterzeichnung eines Abkommens, auch rechtswidrig aus den USA Abgeschobene in seinem Hochsicherheitsknast verschwinden zu lassen, ermöglichte Bukele seinem nordamerikanischen Bro zudem einen wichtigen PR-Erfolg bei dessen Unterstützern, die Trump liefern sehen wollen.

Im Gegenzug streicht der öffentlichkeitshungrige Bukele aus der mittelamerikanischen Diaspora internationale Sendezeit ein und lässt sich umschmeicheln von Trump und den anderen autoritären Abrissarbeitern in dessen Windschatten. Von der Bezahlung in harter Währung wird später noch die Rede sein.

Trumpito weiß, wie Trump es anstellen kann

Doch die beiden Präsidentendarsteller mit selbst erklärtem christlichem Einschlag beherzigen in ihrer politischen Bromance offensichtlich auch das Wort Jesu, nach dem Geben seliger ist als Nehmen. Und Bukele, seit fast sechs Jahren durchgehend im Amt, hat seinem Buddy Trump so einige bemerkenswerte Erfahrungen mit auf den Weg zu geben.


Wenn der Priester anfängt zu beten, werden aus tätowierten Mördern, Dieben und unschuldig eingesperrten: Gläubige. Der mutige Mann Gottes ist einer der wenigen in El Salvador, der sich nicht damit abfindet, dass der Staat zum alttestamentarischen Rächer wird.

Bukele weiß etwa, wie man sich eine verfassungswidrige nächste Amtszeit organisiert; also jene Dystopie, die Donald Trump zuletzt in beängstigender Regelmäßigkeit lässig aus dem Ärmel gezaubert hatte.

Bukele, der in El Salvador auch »Trumpito« genannt wird, also: der kleine Trump, hatte während seiner ersten Amtszeit in politischer Weitsicht ein Gesetz durch das Parlament gepeitscht, das es ihm ermöglichte, jeden dritten Richter neu zu berufen. Damit war seine Verfassungsänderung in trockenen Tüchern – und eine zweite Amtszeit für den Präsidenten El Salvadors plötzlich legal.


Sie waren die Jüngsten in dem Knast, noch keine vierzehn Jahre alt. Stolz zeigten die beiden das M und das S: Mara Salvatrucha. Auch der Wärter war stolz. »Um Kinder vor sexuellen Übergriffen zu schützen, verlegen wir sie in eine separate Zelle.«

Trumps Berater dürften Bukeles verhaltensauffällige Amtsführung in den vergangenen Jahren genau studiert haben. Wie er es schafft, verfassungswidrig im Ausnahmezustand zu regieren, wie er politische Gegner bedroht und verschwinden lässt, wie er Oberste Richter rechtswidrig entlässt, wie er Journalisten mit der Software Pegasus ausspioniert, und nicht zuletzt, wie er bei einer engen Haushaltsdebatte gemeinsam mit dem Militär ins Parlament einmarschiert.

Beide setzen sie auf politischen Blitzkrieg

Bukele, der mit seinem makellosen Schwiegersohnlächeln das Zeug hat zum Posterboy der autoritären Internationale, weiß seine Bevölkerung einzuschüchtern, um nach Belieben schalten und walten zu können. Er hat Meisterschaft in der Shock-and Awe-Strategy erlangt.

»Shock and Awe« – Schock und Einschüchterung – das kalte und gnadenlose Überrumpeln des politischen Gegners, auf das sowohl Bukele als auch Trump setzen, geht auf die Blitzkriegstrategie der US-Armee im Irak zurück. Diese wollte in kürzester Zeit einen solch überwältigenden Schock in der Regierung in Bagdad auslösen, dass sie keine andere Wahl als die sofortige Kapitulation sah.


Tattoos im Gesicht zeigen oft die Bandenzugehörigkeit an. Das falsche Tattoo im falschen Barrio kann ein Todesurteil sein.

Trump begann Schock und Einschüchterung an Tag eins seiner Präsidentschaft. Er ließ Migranten öffentlich von Vermummten verhaften, er erledigte staatliche Organisationen wie USAID per Handstreich, und erpresste Wissenschaftler und Hochschulen. Flankiert von Lüge und Hassrede im öffentlichen Diskursraum.

Bukele war damals schon einen bedeutenden Schritt weiter. Um der rasenden Gewalt der Mara-Gangs Herr zu werden, und gleichzeitig die Machtposition seiner Familiendynastie auszubauen, hatte er mittels »Shock and Awe« bis zu 100.000 der gut sechs Millionen Salvadoreños verhaften, verschleppen und einknasten lassen. Ob wegen eines vermeintlichen Gang-Tattoos, des Verdachts der Mitgliedschaft, wegen übler Nachrede, oder einfach weil der von ihm verhängte Ausnahmezustand seinen Polizisten Festnahmen ohne Haftbefehl erlaubt.

»Es ist lebendiger Müll, hier gibt es kein Mitgefühl«

Als der Flieger mit Abrego Garcia trotz Verbots des Bundesrichters in den USA abhob, verlor Nayib Bukele in dem asozialen Netzwerk des bislang engsten Trump-Bros Elon Musk nur drei Worte: »Oopsie … too late«, und schickte zynisch ein augenzwinkerndes Emoji hinterher.

Den widerrechtlich deportierten Lateinamerikanern dürfte das Lachen im Halse stecken geblieben sein. Erst wurden ihnen unter Zwang im Hochsicherheitsgefängnis Cecot vor laufender Kamera Köpfe und Bärte geschoren, anschließend wurden sie wie Vieh in Großraumzellen verfrachtet.


Weil sie kein Geld haben, warten viele Häftlinge auf den Besuch eines Pflichtverteidigers, von denen es in El Salvador viel zu wenige gibt. Ohne ihn bekommen sie keine Informationen über ihren eigenen Fall. Und nur der Pflichtverteidiger kann eine Anhörung vor Gericht beantragen, bei der entschieden wird, ob ein Häftling frei gelassen wird.

Im »Centro de Confinamiento del Terrorismo«, dem »Zentrum zur Eindämmung des Terrorismus«, vegetieren bis zu achtzig Männer in einer Zelle, es gibt vierstöckige Metallbetten, aber weder Matratzen noch Toiletten, geschweige denn Privatsphäre. Die zwei offenen Kloschüsseln und Wasserbecken sind für Gefangene und Wärter einsichtig. Insassen des für 40.000 Menschen gebauten Gefängnisses haben keinerlei Kontakt zur Außenwelt, nicht zu ihren Familien, nicht zu ihren Anwälten.


Warten. Die Gefangenen warten. Auf eine Anklage, auf den Besuch ihres Pflichtverteidigers, auf ihren Prozess, sie warten auf ihre Freilassung. Wenn sie nicht gerade hoffen, bangen oder beten – dann warten die Gefangenen.

Im Cecot sitzen Mörder, Vergewaltiger und Kidnapper der Mara-Jugendbanden ein, die El Salvador jahrzehntelang im Würgegriff hatten. Bukeles düsteres Versprechen: Lebendig kommt hier keiner mehr ’raus! Das gilt auch für die unschuldig Eingesperrten und all diejenigen, die nie einen Richter gesehen haben.

Bei meinem ersten Aufenthalt in El Salvador im Jahr 2014 traf ich Father David Blanchard zum Interview. Der inzwischen verstorbene, damalige Leiter der nationalen Caritas beschrieb seinen Schock beim ersten Besuch eines Gefängnisses in El Salvador: »Es roch nach Tod, es war entsetzlich. Es stank nach Urin, Schweiß und Müll. Ich habe eine Zelle gesehen, die so brechend voll war, dass man kämpfen musste, um am Rand frische zu Luft schnappen. Es sah aus wie ein riesiger Papierkorb aus Stahl, der mit Müll gefüllt ist. Das Bild, der Geruch und mein Gefühl sagten mir: Es ist lebendiger Müll, hier gibt es kein Mitgefühl.«

Nur der Prolog eines weitaus größeren repressionspolitischen Projektes

Die US-Regierung lässt sich das Outsourcen von Migranten einiges kosten, Zeitungen aus El Salvador schreiben von fünf Millionen Dollar, die Bukele jährlich überwiesen bekommt, 20.000 Dollar pro Häftling. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, was alles eingepreist ist in der öffentlichkeitswirksamen Deportation von Migranten nach El Salvador. Trump kann seinen Wählern einen dringend benötigten Erfolg präsentieren, die Einlösung seines Wahlversprechens, gnadenlos abzuschieben; er kann Millionen Migranten in den USA in Angst und Schrecken versetzen; und last but definitly not least: Er demoralisiert und demontiert das Justizwesen.

Und dann wäre da noch etwas. Am Rande eines Treffens mit El Salvadors Staatschef Bukele deutete Trump an, dass die illegalen Deportationen nur der Prolog eines weitaus größeren repressionspolitischen Projektes gewesen sein könnten. Eine wenig subtile Warnung, die auch andersdenkenden, dissidenten Bürgern mit US-Pass Magenschmerzen bereiten dürfte.

»Wir haben auch einheimische Kriminelle«, sagte Trump, »die Menschen vor U-Bahnen schubsen, oder älteren Damen mit einem Baseballschläger auf den Hinterkopf schlagen – absolute Monster. Ich würde sie gerne in die Gruppe derer einschließen, die wir aus dem Land schaffen wollen.«

Ausgerechnet nach El Salvador. In das kleine mittelamerikanische Land, dessen Nationalheiliger Óscar Romero vor genau fünfundvierzigjahren einen leidenschaftlichen Appel an die Soldaten und Regierungsbeamten der damaligen Militärdiktatur richtete, der ihm keine vierundzwanzig Stunden später das Leben kosten sollte: »Es ist jetzt an der Zeit«, predigte der Erzbischof damals, »dass ihr eurem Gewissen gehorcht und nicht dem Befehl zur Sünde. Im Namen Gottes beschwöre ich Sie: Stoppen Sie die Repression!«

Øle Schmidt lebt als freier Journalist und Autor in Deutschland und Lateinamerika. Aus El Salvador hat er für WDR und SWR berichtet, für Misereor und Amnesty International.

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