Ein Jahr Ostberlin
Eine Vater-Sohn-Geschichte

Kontrollstelle am Grenzübergang Helmstedt/Marienborn, wo meine Familie und ich 1974 in die DDR 'rübergemacht haben.
Foto: Øle Schmidt

Erzählt von Øle Schmidt

Ich war drei Jahre alt, als mein Vater einwilligte, mit anderen Kommunisten aus dem Westen die Klassiker des marxistischen Pantheons zu studieren. Geheim. In einer Kaderschmiede der SED, in Ostberlin, 1974. Jetzt reise ich mit meinem Vater in eine scheinbar versunkene Zeit zurück.

Mein Vater arbeitete beim Parteivorstand der Deutschen Kommunistischen Partei. „Die Partei“ war so etwas wie die Westvertretung der SED, ein proletarisches U-Boot im Herzen des dekadenten Kapitalismus. Um meinen Vater zu einem prinzipienfesten Kapitän im Kalten Krieg zu machen, schickten ihn die Genossen zum Studium hinter die Mauer.
Der Verfassungsschutz durfte von der Sache keinen Wind bekommen. Und meine Mutter und ich waren von dem schrägen Ortswechsel nicht wirklich begeistert.

45 Jahre später fahre ich mit meinem Vater wieder in den Osten Berlins, wir suchen nach der Kaderschmiede, blättern in Stasi-Akten und sprechen über sozialistische Kindererziehung. Ich will verstehen, warum mein Vater Kommunist geworden ist.

Die Lebenden und die Toten
In Mexiko wird das Ende gefeiert: Mit schaurigen Skelettbildern, zuckrigem Gebäck und viel Trompetengetöse.

Ein Anhänger der Santa Muerte bittet sie in Mexiko-Stadt um Unterstützung

Ein Feature von Øle Schmidt
Fotos Øle Schmidt

Der Monseñor und die Mächtigen
Vor zwanzig Jahren hat der Befreiungstheologe Juan Gerardi die Aufarbeitung des Bürgerkrieges in Guatemala mit seinem Leben bezahlt.

Ein Feature von Øle Schmidt

Unter den Augen der Weltöffentlichkeit sagte der stämmige Mann in der überfüllten Kathedrale in Guatemala-Stadt diesen Satz, der ihm keine achtundvierzig Stunden später das Leben kosten sollte: »Wir können belegen, dass die gualtemaltekische Armee mehr als achtzig Prozent der Toten des Bürgerkrieges zu verantworten hat.« Monseñor Bischof Juan Gerardi hielt das Enthüllungsbuch »Guatemala - Niemals wieder!« damals in die Fernsehkameras. Darin sind erschütternde Protokolle von Opfern des Bürgerkrieges zu lesen, der in dem kleinen mittelamerikanischen Land in sechsundreißig Jahren mehr als zweihunderttausend Tote gefordert hatte.

Lord Krishna und die Witwen
In der indischen Pilgerstadt Vrindavan pulsieren Glaube und Armut

Ein Feature von Øle Schmidt

Die Vergessenen Erben Óscar Romeros

Zu Besuch bei Father David in El Salvador

Ein Feature von Øle Schmidt

Wenn es brenzlig wird, dann schlägt die Stunde von Father David. Weil er tut, was sonst niemand tut in El Salvador. Der Priester spricht mit den Anführern der berüchtigten Mara-Jugendbanden; er besucht die wie Vieh eingepferchten Häftlinge in den Gefängnissen; dem kostenlosen katholischen Gesundheitssystem hat er seinen Stempel aufgedrückt. Als Caritas-Chef von San Salvador. Dort, wo auch der von den Armen verehrte Erzbischof Óscar Romero wirkte und 1980 im Auftrag der Armee umgebracht wurde. Sechs Jahre später, in den Wirren des Bürgerkrieges, ging Father David als Seelsorger nach El Salvador. Und der charismatische US-Amerikaner blieb. Auch wenn sich die Zeiten geändert haben, und das große prophetische Heilsversprechen jener Tage dem Blick für das Machbare gewichen ist: Father David ist einer der vergessenen Erben Óscar Romeros.

Das Wort Synagoge
Brandanschlag auf Gotteshaus


„Denn mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle Völker“ lautet die Inschrift auf der Fassade der Bergischen Synagoge. Gegen diese Fassade wurden mehrere Molotowcocktails geworfen ohne grösseren Sachschaden zu verursachen.

Text Daniela Ullrich
Bilder Christoph Schönbach

„In den frühen Morgenstunden des Dienstag, gegen 2.15 Uhr, meldete eine Anwohnerin der Polizei einen Brand im Bereich der Bergischen Synagoge an der Gemarker Straße in Barmen.“ Rein sachlich betrachtet, eine Pressemeldung der Polizei, wie sie täglich in den E-Mail-Posteingängen von TV-, Zeitungs- und Radioredaktionen einläuft. Nicht selten verbirgt sich hinter solch einer Meldung auch nicht mehr als der Brand eines Altpapiercontainers oder eines städtischen Mülleimers. Ein Wort aber unterscheidet die Polizeimeldung von anderen: das Wort Synagoge – ein brennendes Gotteshaus?

Nein: Fakt ist, am Gebäude entstand augenscheinlich kein Sachschaden. Lediglich ein Fleck an der Fassade zeugt von der Tat – sachlich betrachtet. Und: Nach bisherigem Ermittlungsstand warfen drei Täter mehrere Brandsätze in Richtung des Eingangs der Synagoge. Und damit endet aller Sachlichkeit Diskussionsgrundlage. Ein Anschlag, ein terroristischer Akt? Im Nahbereich der Synagoge konnte die Polizei noch in der Tatnacht einen 18-jährigen Tatverdächtigen mit bislang ungeklärter Staatsangehörigkeit festnehmen. Ein weiterer, 19-jähriger, mutmaßlicher Täter wurde im Zuge der Ermittlungen festgenommen. Er ist in Syrien geboren. Der 18-Jährige staatenlos, er bezeichnet sich selbst als Palästinenser.


Kurz nach dem Anschlag kommen ca. 200 Wuppertaler zur Synagoge um ein Zeichen zu setzen.

In der Nacht des Brandanschlags hatten schwere Bombardements den Gazastreifen erschüttert. Mindestens 43 Palästinenser wurden getötet. Der Anschlag eine Reaktion darauf, eine Übersprunghandlung? Sebastian Goecke von der Initiative für Demokratie und Toleranz weiß: Jüngste Studien haben ergeben, dass Antisemitismus immer noch fest in der Mitte der Gesellschaft verankert ist, vor allem unter Jugendlichen wächst er. Ein Grund: „Es gibt die Transformation eines politischen in einen religiösen Konflikt,“ sagt der 54-Jährige. Daraus würden sich bestimmte Meinungsbilder ergeben – sachlich ausgedrückt.


Artour Gourari, Gemeinderatsmitglied
der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal.

Ein emotional aufgeladenes Wort nimmt der Leiter der Initiative dann aber auch in den Mund: Hass. Denn: „Teilweise sind muslimische Jugendliche traumatisiert, sie kommen sich hilflos vor, entwickeln dadurch auch Wut.“ Die entlud sich nun scheinbar im Anschlag auf ein Gotteshaus, eine Synagoge. Viele Mitglieder, der Großteil der Gemeinde kommt aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Den Staat Israel haben die wenigsten von ihnen selbst bereist. Und jetzt: „Das Zentrum unseres religiösen Lebens ist angegriffen worden“, sagt Artour Gourari. Einen symbolischen Akt nennt das Gemeinderatsmitglied die Tat, aber auch einen Terroranschlag. Die Gemeindemitglieder waren schockiert, fassungslos. Denn eigentlich fühle Die jüdische Gemeinde sich als Teil der Gesellschaft. „Wir sind nicht dort, wir sind hier“, sagt er im Hinblick auf den Krieg im Gazastreifen. Der Konflikt, der dahintersteckt und seit Jahrzehnten nicht aufgelöst werden kann, er sei künstlich importiert. „Das klassische antisemitische Klischee“, so Gourari. Es käme nur aus einer anderen Richtung.


Sebastian Goecke von der Initiative für Demokratie und Toleranz.

Kritik an Israel, in Deutschland ist sie nicht gern gehört. Es sterben Menschen in Gaza, Menschen jüdischen Glauben sowohl als Menschen muslimischen Glaubens. Kann und darf die muslimische Gemeinde ausreichend um sie trauern, oder verhallt die Trauer? Sebastian Goecke hat beobachtet: „Die muslimischen Jugendlichen fühlen sich nicht gehört. Dadurch sehen sie sich als Opfer.“ Das Gefühl ein Opfer zu sein, im Gazastreifen haben es viele Menschen – egal welcher Nationalität, egal welcher Religionszugehörigkeit. Dieses Gefühl eint die Menschen hier und dort, dieses Gefühl bietet Identifikationspotential. Aber: Nicht mit Prävention hier vor Ort könne dem entgegengewirkt werden: „Es geht darum, alles dafür zu tun, diesen Konflikt dort zu lösen“, sagt Goecke. „Es kann keine Lösung sein, hier alte Feindschaften aufleben zu lassen, diese Feindschaften auch auszuleben und Anschläge zu begehen“, mahnt der Leiter der Initiative für Demokratie und Toleranz.

 

logisch! im Gespräch mit Artour Gourari, Gemeinderatsmitglied der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal.

logisch! im Gespräch mit Sebastian Goecke, Vorsitzender der „Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz e.V.“.

Ein subversiver Lesezirkel

Ausgabe 12, August 2014

Reportage Øle Schmidt

Der kubanische Untergrundbibliothekar Raúl riskiert viel, um seinen Landsleuten verfemte Literatur nahe zu bringen. Er träumt von einer offenen Gesellschaft.

Burnout ist out

Ausgabe 11, März 2014

Beitrag Eduard Urssu

logisch! im Gespräch mit Olaf Bick, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, zum Thema Burnout. Das Gespräch führte Eduard Urssu.

Marias Pakt mit San Judas Tadeo!

Ausgabe 10, Dezember 2013

Reportage Øle Schmidt

Jeden Monat am achtundzwanzigsten Tag versammeln sich Tausende vor der Kirche San Hipólito. Doch es sieht mehr nach einem Rockkonzert aus, als nach einer religiösen Prozession. Die 21-jährige Maria ist immer dabei. Viele Junge, aber auch Alte ehren dort gemeinsam San Judas Tadeo. Nein, nicht der Judas, der Jesus verraten hat, der andere Apostel, der ihm bis in den Tod die Treue gehalten hat. In der mexikanischen Hauptstadt ist San Judas seit einigen Jahren eine Art religiöser Kurt Cobain; der Erlöser für die Kleindealer und Gelegenheitshuren, für die Tagelöhner und Obdachlosen. Für all die Vergessenen an der Peripherie, die Papst Franziskus gerne wieder im Schoß der Kirche sähe. Jeden Tag betet Maria zu San Judas, bis an ihr Lebensende trägt sie ihn bei sich: als Tattoo auf ihrer rechten Wade. Doch warum hat Maria sich dem Heiligen der Unheiligen verpflichtet?

EFL-Wuppertal

Sonderausgabe, September 2013

Beitrag Eduard Urssu

Etwa 1.100 Menschen aus Wuppertal und Umgebung haben im vergangenen Jahr die Mitarbeiter der Katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, EFL, aufgesucht. Die Psychologen, Sozialarbeiter und Pädagogen aus dem Bergischen Städtedreieck sprechen nun schon seit 60 Jahren mit Ratsuchenden in schwierigen Lebenssituationen. Kostenlos, "aber nicht umsonst", wie es Richard Jost ausdrückt, Leiter der EFL in Wuppertal. Die Beratungsstellen erfüllten einen Grundauftrag der Kirche. Zusätzlich, da ist sich Jost sicher, dienten sie der Gesellschaft, da gesunde Beziehungen Garant für die körperliche und seelische Gesundheit von Menschen seien. Es ginge schließlich um Ehe und Familie.

Die Geschichte ist eine Prophetin

Ausgabe 9, Juli 2013

 

Reportage Øle Schmidt

Zum ersten Mal stammt ein Papst aus Lateinamerika. Doch was halten die Menschen dort von Franziskus, der sich als Kirchenrebell gibt? Und welche Umstände bestimmen ihr eigenes Leben? Zu Besuch in San Cristóbal de Las Casas, einer rebellischen Stadt im Süden Mexikos. 100 Tage nach der Wahl des neuen Papstes.

Neuer Präses kommt aus Wuppertal

Ausgabe 8, März 2013