Ausgabe 9, Juli 2013

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Wo sind unsere Helden hin?
Über Sündenfall und christliche Wurzeln

Ein Kommentar von Eduard Urssu 

Erinnern Sie sich noch an Uli Hoeneß? Also, an den alten Uli Hoeneß? Der markante Fußballer mit der wehenden Matte, die im Alter der wachsenden Stirn weichen musste. Gemeint ist der Uli Hoeneß, der Anfang der Siebzigerjahre als schnellster Außenstürmer Europas galt und mit Sturmpartner Gerd Müller den FC Bayern München von 1971 bis 1973 fast im Alleingang zur deutschen Fußballmeisterschaft schoss. Der Uli Hoeneß, der im EM-Finale 1976 den entscheidenden Elfmeter gegen die Tschechoslowakei verschoss, was wir ihm mittlerweile verziehen haben. Oder aber erinnern Sie sich nur noch an den Uli Hoeneß, der als leuchtendes Vorbild für sein soziales Engagement und seinen wirtschaftlichen Erfolg mit Kusshand durch die deutschen Talkshows durchgereicht wurde – und uns zuletzt alle um Steuergelder betrog? Falls Sie nur den letzten Teil der Frage mit „Ja“ beantworten, dann ist das mehr als traurig. Schließlich haben wir in Deutschland nicht die große Auswahl an Leitbildern, an Idealen oder wie es früher mal so schön hieß: an Vorbildern. Keine Sorge, dies wird keine Lobeshymne auf einen gefallenen Helden, nicht einmal eine ironische. Und ein Fan des FC Bayern München bin ich schon gar nicht! Aber als ich am Abend des Champions-League-Finales Borussia Dortmund gegen Bayern München auf der heimischen Couch saß, da sah ich ihn wieder, den alten Uli Hoeneß. Er freute sich wie ein kleiner Junge über den Erfolg seiner Mannschaft und nur die selbst ernannten Fußballkommentatoren vermischten angesichts dieser ehrlichen Freudenausbrüche wieder seine persönlichen Verfehlungen mit den sportlichen Erfolgen seines FCB. Gut, eine Selbstanzeige beim Finanzamt ist gemeinhin keine Ruhmestat. Schließlich ist sie nur der letzte Ausweg, um noch Schlimmeres zu vermeiden. Aber letztlich war es ein persönlicher Fehler, den Uli Hoeneß eingesehen und eingestanden hat. Ob diese Selbstanzeige wirksam ist, ob er darüber hinaus juristisch belangt wird, das müssen zum Glück nicht wir entscheiden. Was wir zu entscheiden haben, ist, wie wir mit solchen gefallenen Helden umgehen wollen. Denn: Wie sieht es zum Beispiel mit uns selbst aus? Sind wir alle ohne Fehl und Tadel? Abgesehen vom sportlichen Superlativ, schwirrte in meinem Kopf nach dem Champions-League-Endspiel noch ein Datum herum: der 31. Mai. Vermutlich zucken jetzt einige zusammen, diejenigen umso heftiger, die bis heute ihre Steuern für das vergangene Jahr noch nicht erklärt haben. Bei der Vielzahl der Datenfelder und Eingabemöglichkeiten kann man schon mal den Überblick verlieren, zugegeben. Deswegen übernimmt auch meine Frau diese Aufgabe. Sollte sie aber trotz aller Sorgfalt Fehler machen, Fehler sollen angeblich menschlich sein, bin trotzdem ich dafür verantwortlich. Es auf meine Frau zu schieben, gilt wohl nicht und Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor Strafe. Und wie meine Tochter gerne zu sagen pflegt: „Schwuppdiwupp“ bin ich ein Verbrecher. Dies ist nur ein Beispiel von vielen Situationen, bei denen man am Ende ganz schön alt aussehen kann. Ich hoffe, dass in einer solchen Situation sich zumindest mein privates Umfeld auf die christlichen Wurzeln unserer Gesellschaft besinnt. Vielleicht nur eine schwache Hoffnung, aber schließlich ist der Sündenfall essentieller Teil unserer Gründungsgeschichte. Und alle Mythen, die sich um unsere Heiligen und andere historische Vorbilder ranken, wären doch null und nichtig, würden wir sie mit den heutigen Maßstäben unserer allzu tugendhaften Gesellschaft messen. Oder nehmen Sie etwa Eva die Sache mit der Frucht vom Baum der Erkenntnis noch übel? Und Augustinus – noch so eine Früchtegeschichte – bleibt auch heute noch einer unserer wichtigsten Kirchenväter. Und Uli Hoeneß? Keine Sorge, um den kümmern sich nun andere. Trotzdem dürfen seine Verdienste, nicht nur die um seinen Verein, sondern auch die um unsere Gesellschaft, nicht einfach vergessen werden. Und sollte meine Steuererklärung, sagen wir mal, suboptimal sein, dann bleibe ich zumindest noch für meine Tochter der große Held – hoffe ich doch.

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