Ausgabe 17, Juni 2016

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„Es gibt in Wuppertal keine No-go-Areas“


Der stellvertretender Leiter der Pressestelle der Polizei im bergischen Städtedreieck, Christian Wirtz, im Gespräch mit Daniela Ullrich.

Interview Daniela Ullrich
Bild Wolf Sondermann

Die Ankunft Hunderttausender Flüchtlinge in Deutschland hat Solidarität und Nächstenliebe ausgelöst, aber auch Rassismus und Angst – Angst etwa vor mehr Kriminalität. Im logisch!-Interview spricht Christian Wirtz, stellvertretender Leiter der Pressestelle der Polizei im bergischen Städtedreieck, über die Vorfälle der Silvesternacht in Köln und die Einbruchszahlen im Tal. Und er verrät, welche Schlagzeile er gerne über die Arbeit seiner Kollegen in der Presse lesen würde.

Redaktion: Herr Wirtz, die Arbeit der Polizei steht spätestens seit den Vorfällen der Silvesternacht in Köln auf dem Prüfstand. Haben Sie das Gefühl, dass die Bürger Ihnen und Ihren Kollegen seitdem anders gegenübertreten?

Christian Wirtz: Im Grunde wird die Arbeit der Polizei ja seit jeher kritisch betrachtet, und das ist auch gut so! Wir als Polizisten sind Teil der Gesellschaft und dienen ihr als Garant für Sicherheit und Ordnung. Daher ist es nur konsequent, wenn unsere Arbeit kritisch – positiv wie negativ – begleitet wird. Wir stellen fest, dass die Arbeit der Polizei seit den Vorfällen der Silvesternacht in Köln und in anderen deutschen Städten, von Teilen der Bevölkerung besonders kritisch betrachtet wird. Vor allem die Art unserer Berichterstattung wird dabei hinterfragt.

Redaktion: Das müssten Sie bitte etwas genauer erklären.

Christian Wirtz: Plötzlich gibt es Diskussionen über die Herkunft bestimmter Menschen. Die Frage, ob man die Nationalität nennen darf oder sogar soll, scheint mittlerweile wichtiger zu sein als all die anderen Nachrichten. Manche werfen uns auch vor, wir würden die Öffentlichkeit über die Wahrheit bezüglich der Kriminalität von Zuwanderern täuschen und damit politische Einflussnahme üben. Dies ist bei weitem nicht so! Wir sind politisch neutral und halten uns zum einen an den Pressecodex und an unsere Erlasse zur Medienarbeit. Zum anderen entscheidet nur die Art des Deliktes, ob wir darüber berichten oder nicht. Eine Anzeige wegen einer Ohrfeige unter Flüchtlingen vermelden wir beispielsweise ebenso wenig, als wenn diese unter Deutschen passiert wäre.

Redaktion: Hätten Ihre Kollegen die Silvesterereignisse voraussehen müssen, oder war das eine neue Qualität von Kriminalität?

Christian Wirtz: Als Wuppertaler Polizist steht es mir nicht zu, die Arbeit der Kollegen in anderen Städten zu beurteilen. Zudem befasst sich ja zurzeit ein Untersuchungsausschuss des Landtages mit den Umständen der Silvesternacht in Köln. Dazu gehört auch die Frage, ob die Polizei richtig vorbereitet war. Grundsätzlich kann man jedoch festhalten, dass das Ausmaß, vor allem auch an sexuellen Übergriffen, neu war. Wir in Wuppertal haben bislang glücklicherweise keine vergleichbaren Vorfälle gehabt.

Redaktion: Wie schätzen Sie die öffentliche Sicherheit in Wuppertal ein? Können sich alle Bürger sicher fühlen, oder gibt es sogenannte No-go-Areas in der Stadt?

Christian Wirtz: Es gibt in Wuppertal keine No-go-Areas. Wir als Wuppertaler Polizei werden es auch nicht zulassen, dass sich in unserer Stadt rechtsfreie Räume bilden. Unser bergisches Sicherheitskonzept umfasst seit Jahren in allen drei Städten mehr zivile und uniformierte Streifen in sogenannten Angsträumen und Brennpunkten. Das sind Gebiete, in denen vermehrt Straftaten passieren, und die die Bürgerinnen und Bürger als „unsicher“ empfinden. Meist liegen diese in den Innenstädten und im Umkreis der Bahnhöfe. Wir passen die Bereiche regelmäßig den veränderten Gegebenheiten an, und sind daher in dieser Hinsicht sensibilisiert.

Redaktion: Haben Gewalttaten eine neue Qualität, oder ist das eher eine subjektive Wahrnehmung in der Bevölkerung?

Christian Wirtz: Wir haben festgestellt, dass die Anzahl der Straftaten in Wuppertal, die wir der Gewaltkriminalität zuordnen, vergangenes Jahr leicht gestiegen ist (+6,1%). Die Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung waren sogar rückläufig (-5,7 %). Insofern können wir nicht davon sprechen, dass Gewalttaten eine neue Qualität haben.

Redaktion: Die Einbruchszahlen in Wuppertal sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Was unternimmt die Polizei dagegen?

Christian Wirtz: Wir haben tatsächlich in den letzten Jahren einen Höchststand an Wohnungseinbrüchen in Wuppertal zu verzeichnen. Diese Entwicklung erfüllt uns mit Sorge, und zeigt uns, dass wir unsere Anstrengungen weiter vergrößern müssen. Wir versuchen, die Bevölkerung zu sensibilisieren und geben ihnen Informationen an die Hand, die helfen sollen, die eigenen vier Wände gegen Einbrecher zu sichern. Kritiker bemängeln dieses Konzept und werfen uns vor, die Verantwortung auf die Bürger zu übertragen. Richtig ist jedoch, dass es nur gemeinsam – Polizei und Bürgern – gelingen kann, gegen Einbrecher vorzugehen. Indem wir alle zusammen den Tätern ihre Arbeit so schwer wie möglich machen, haben wir schon einen ersten Schritt gemacht.

Redaktion: Die Aufklärungsquote bei Einbrüchen ist dennoch gering. Woran liegt das?

Christian Wirtz: Wir haben europaweit tätige Einbrecherbanden, die höchst professionell vorgehen. Die Täter wissen ganz genau, wie man keine Spuren hinterlässt und schnell entkommt. Gerade das Phänomen der überörtlichen Täter fordert uns heraus. Wir stehen landesweit im Austausch mit anderen Behörden. Das Landeskriminalamt führt derzeit eine Forschungsarbeit durch, mit der Täterstrukturen und -motivationen untersucht werden. Konkret für Wuppertal bedeutet dies, dass wir uns Erkenntnisse erhoffen, mit denen wir Tatzusammenhänge und Auswahl von Tatorten besser erkennen können. Weiterhin planen wir auch gezielte Maßnahmen zur Tätererkennung, zu denen ich aber momentan noch nicht konkreter werden möchte.

Redaktion: Welche Schlagzeile würden Sie im Zusammenhang mit Ihrer Arbeit gerne lesen, Herr Wirtz?

Christian Wirtz: Trendwende geschafft – Wuppertal ist sicherste Großstadt im Land!

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