Ausgabe 15, September 2015

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Shalom, Berlin!

Zum ersten Mal in Deutschland, die European Maccabi Games in Berlin

Text und Bild Daniela Ullrich

Die European Maccabi Games fanden in diesem Jahr erstmals in Deutschland statt. Eröffnet wurden die Sportwettkämpfe, an denen mehr als 2300 jüdische Sportler aus 36 Nationen teilnahmen, von Bundespräsident Joachim Gauck. Als Patin der Schwimmwettkämpfe war die Wuppertalerin Sarah Poewe in Berlin.

Die Öffentlichkeit hatte es bei den Olympischen Spielen vor elf Jahren in Athen zunächst gar nicht wahrgenommen, als sich Brustschwimmerin Sarah Poewe in die Geschichtsbücher eintrug. Die für die SG Bayer Wuppertal/Dormagen/Uerdingen startende Poewe hatte mit der Lagenstaffel Bronze für Deutschland geholt – die erste olympische Medaille nach 1936 für eine jüdische Deutsche. „Auch ich war mir in dem Moment dessen gar nicht bewusst“, sagte Poewe im Juli am Rande der European Maccabi Games 2015 in Berlin. „Als ich nach den Spielen in Interviews darauf angesprochen wurde, und es realisierte, war das natürlich das i-Tüpfelchen auf meine sportliche Leistung obendrauf. Dass diese Medaille mit der eigenen Herkunft identifiziert wird, macht sie natürlich zu etwas ganz Besonderem“. Seit 1932 messen sich bei den European Maccabi Games alle vier Jahre jüdische Sportler und Sportlerinnen. Es ist ein Zusatzturnier zur ebenfalls im Vierjahresturnus ausgetragenen Makkabiade in Israel.

Die European Maccabi Games sind Europas größte jüdische Sportveranstaltung. Nun wurden sie erstmals in Deutschland ausgetragen. In Berlin. Dort, wo Gretel Bergmann 1936 olympisches Gold gewinnen wollte. Doch die Nazis ließen sie nicht im Olympiastadion starten. Gretel Bergmann ist heute 101 Jahre alt, sie hat den Holocaust überlebt. Die Shoa ist für die mehr als 2300 Athleten aus aller Welt ein gemeinsamer Nenner. „Jeder, auch ich, hat in seiner Familie Verwandte, die im Holocaust ermordet worden sind“, erklärt Poewe.

Aber: „Sport und Religion sind zwei verschiedene Themen“, schränkt die Schwimmerin ein. „Als ich aktive Sportlerin war, war meine Religion für mich immer etwas Privates. Durch meine Rolle als Botschafterin der Schwimmwettbewerbe bei den Maccabi Games, ist das jetzt natürlich ein bisschen mehr in den Vordergrund getreten“, sagt Poewe, die seit 2011 im Wuppertal lebt und dort nach dem Ende ihrer aktiven Karriere 2012 als Schwimmcoach arbeitet. Sie selbst sei „ganz normal“ zweigläubig aufgewachsen, erzählt die 32-Jährige. Der Vater Protestant, die Mutter Jüdin. Da wurde Weihnachten gefeiert, aber auch die jüdischen Feiertage, wie Yom Kippur oder Rosch ha-Schana, wurden in der Familie begangen. Die Spiele in Berlin nutze sie nun auch, um noch mehr über ihre eigene Herkunft zu erfahren. „Ich lerne viel über mich selbst, und hier bei den Maccabi Games haben wir als Gemeinschaft nicht nur den Sport gemeinsam, sondern auch den Glauben.“

Tischtennisspieler Alexander Iskin war als aktiver Sportler bei den European Maccabi Games dabei. Der heute 25-Jährige spielte früher in der Schüler-Nationalmannschaft. Als er noch in Goslar lebte. Dann gab er den Sport zugunsten seines Berufs auf. Denn nach einer Ausstellung in seiner Heimatstadt Goslar entdeckte ihn Jonathan Meese, das Enfant terrible der deutschen Kunstszene. Seit seinem Abitur lebt Iskin nun als bildender Künstler in Berlin. Auch wenn der Sport nicht mehr die Hauptrolle in seinem Leben spielt – an den jüdischen Europameisterschaften in seiner Wahlheimat wollte er unbedingt teilnehmen. „Ich habe lange nachgedacht“, erzählte er der Jüdischen Allgemeinen vor den Spielen, „die Makkabiade hat zionistische Ursprünge, das sehe ich kritisch.“ Der Makkabi-Sportverband war Anfang des 20. Jahrhunderts eine Antwort auf den wachsenden Antisemitismus. Doch trotz seiner Bedenken hat Iskin mitgespielt. Es sei ihm wichtig gewesen, das Judentum in Deutschland, in Berlin, sichtbar zu machen. Das ist gelungen.

Die Wettbewerbe konnten kostenlos besucht werden. Die Sicherheitsvorkehrungen waren zwar hoch, aber die Stimmung war dennoch gelöst. Voller Stolz erhoben sich bei den Siegerehrungen so auch die Sportler und Sportlerinnen aller 36 teilnehmenden Nationen zur israelischen Nationalhymne, wenn ein Athlet oder ein Team aus Israel Gold errungen hatte. Neben europäischen und israelischen Teilnehmern waren an den Spielen auch Athleten aus den USA, Kanada, Südafrika und Argentinien beteiligt. Eine Woche kämpften sie in 19 Sportarten um Gold, Silber und Bronze. Mit 144 Erfolgen ist die deutsche Mannschaft laut Medaillenspiegel Spitzenreiter der Wettkämpfe, gefolgt von der US-Delegation mit 103 Medaillen. Auf dem dritten Platz rangieren die Sportler aus Großbritannien, die 75 Medaillen mit nach Hause nehmen.

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