Ausgabe 14, April 2015

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Ein Platz für Sternenkinder
In Wuppertal gibt es die bundesweit erste Grabstätte für Stille Geburten

Jedes Sternenkind wird in ein Sternentuch gewickelt. Eine Ecke des Tuchs wird den Eltern als Andenken übergeben. Damit die Kinder nicht allein im Sarg liegen müssen, legen die Mitarbeiter der Sternenkinder-ambulanz noch „kleine Kumpels“, kleine selbstgemachte Teddybären, mit hinein.

Text und Bild Eduard Urssu

Auf dem katholischen Friedhof St. Antonius an der Schützenstraße ist eine besondere Grabstätte eröffnet worden. Ihre Gestaltung ist aufwendig, doch das wirklich bemerkenswerte ist, dass hier Sternenkinder beerdigt werden. Sternenkinder – ein poetischer Name für Kinder, die, noch bevor sie das Licht der Welt erblicken, im Mutterleib sterben. Und so nennt sich auch das Team aus Seelsorgern und Krankenhausmitarbeitern, das für die neue Grabstätte verantwortlich ist, „Verein Sternenkinderambulanz“.

Es sind die immer gleichen Fragen, die sich Hans-Bernd Uedelhoven, leitender Pfarrer der Krankenhausseelsorge in Wuppertal, stellen lassen muss: „Warum musste unser Kind sterben? Warum so früh? Hält unsere Beziehung das aus? Können wir jemals wieder Kinder haben? – Diese Paare brauchen nicht nur die Möglichkeit, trauern zu können. Sie brauchen auch die Möglichkeit, darüber zu sprechen.“ In Deutschland gibt es bei Fehlgeburten jedes Jahr mehr als 50.000 Sternenkinder. Das sind 50.000 Schicksale. Schicksale, die noch bis vor wenigen Jahren meist nicht angemessen betrauert werden konnten. So war der Umgang mit einem toten Fötus, der weniger als 500 Gramm wog, bis zur Änderung des Bestattungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen, mehr als lieblos. „Er kam einfach zusammen mit dem Klinikabfall weg, wurde verbrannt und anonym begraben“, sagt Pfarrer Uedelhoven. Doch der Krankenhausseelsorger weiß aus vielen Gesprächen mit älteren Patientinnen, dass die anonyme „Beseitigung“ ihrer Totgeburten die Frauen bis ins Sterbebett verfolgt. „Wo ist mein Kind geblieben?“, ist eine bedrückende Frage, auf die Pfarrer Uedelhoven keine Antwort geben kann.

Bundesweit einzigartig

In Wuppertal setzt sich seit den Neunzigerjahren eine Gruppe dafür ein, dass Eltern von Fehlgeburten eine Grabstätte aufsuchen können, die letzte Ruhestätte für ihr Sternenkind. Rückenwind bekommt das überwiegend ehrenamtliche Team aus Krankenschwestern, Ärztinnen, Hebammen und Seelsorgern dann im Jahr 2003. Das neue Bestattungsgesetz in NRW spricht den Eltern der tot geborenen Kinder mehr Rechte zu. Von jetzt an dürfen sie ihre Kinder persönlich bestatten lassen, unabhängig von der Schwangerschaftswoche. Und „ist die Geburt oder der Schwangerschaftsabbruch in einer Einrichtung erfolgt, hat deren Träger sicherzustellen, dass ein Elternteil auf diese Bestattungsmöglichkeit hingewiesen wird“, sagt Anja Spilker, Leiterin der Sternenkinderambulanz. Gemeinsam mit vielen ehrenamtlichen Helfern betreut Anja Spilker diese Eltern. Im Sternenkinder-Café können sie Trost finden, „oder auch Trost spenden“, ergänzt Anja Spilker. „Eltern kommen hier ins Gespräch. Sollte der Schmerz des Verlustes aber zu groß sein, leitet das Team der Sternenkinderambulanz sie an die seelsorgerisch tätigen Mitarbeiter oder an den Psychologischen Dienst weiter. Da arbeiten wir Hand in Hand.“
Die Hauptaufgabe der Ambulanzmitarbeiter ist das Zurechtmachen der Sternenkinder. „Wir waschen sie, kleiden sie an, und legen sie in den Sarg“, sagt Anja Spilker, und streicht mit ihrer Hand über ein Sternenkindertuch. Bedruckt ist es mit dem kleinen Prinz, der berühmten Romanfigur von Antoine de Saint-Exupéry. „Darin werden die Kinder eingewickelt. Dann schneiden wir eine Ecke aus dem Tuch. Darauf steht der Name des Kindes. Das Tuch erhalten die Eltern als kleines Andenken“, erzählt Anja Spilker. Die Mitarbeiter der Sternenkinderambulanz sehen die Totgeborenen als menschliche Wesen und behandeln sie auch so. Aber, worauf es letztlich ankomme, so Anja Spilker, sei die Zeit mit dem Kind: „Das kostbarste Geschenk, dass wir den Eltern geben können, ist die Erinnerung an die Kinder. Das ermöglichen wir ihnen bei uns in der Sternenkinderambulanz.“ Die Verantwortlichen hoffen, das ein menschlicher Umgang mit Kindern und Eltern, mit Zeit zum Trauern und Verabschieden, mit der neuen Grabstätte an der Schützenstraße besser möglich ist. Auch aus christlicher Sicht auf die Sternenkinder, ergänzt Hans-Bernd Uedelhoven: „Wenn wir wirklich glauben, dass mit dem Verschmelzen von Ei- und Samenzelle das Leben beginnt, und Gott in diesem Moment sein ‚Ja’ auf das Kind gesprochen hat, dann haben wir nicht das Recht, es einfach mit dem OP-Müll zu entsorgen.“

Informationen

Die neue Grabstätte Sternenkinder auf dem Friedhof an der Schützenstraße 31 in Wuppertal-Barmen ist bundesweit die einzige ihrer Art. Zahlreiche Spenden aus der Bevölkerung haben das 50.000-Euro-Projekt ermöglicht. Mehr zum Thema Sternenkinder und Kontaktdaten zur Sternenkinderambulanz gibt es im Internet unter:
www.sternenkinder-ambulanz.de.

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