Ausgabe 14, April 2015

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Prekär pekuniär
Der Umgang mit Geld und das Neue Testament

Text Dr. Werner Kleine

Beim Geld hört die Freundschaft auf. Diese Allerweltsweisheit wird gegenwärtig wieder einmal bestätigt. Selbst große Visionen geraten angesichts pekuniärer Schieflagen schnell in eine prekäre Lage, und drohen zu Illusionen transferiert zu werden. Ein geeintes Europa war eine solche Vision, die als Antwort auf die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges den Weg in eine friedliche Zukunft ebnen sollte. Das Symbol des geeinten Europas sollte die gemeinsame Währung, der Euro, werden. Mit ihm konnte man Grenzen überschreiten, ohne die Währung wechseln zu müssen. Vieles wurde einfacher. Das geeinte Europa wurde jetzt täglich im Portemonnaie sichtbar. Europa – das war die Vision einer großen Völkerfamilie, die in Solidarität verbunden war. Genau diese Solidarität wurde und wird nun auf den Prüfstand gestellt. Vor allem Griechenland wurde zum Synonym für ein Land, das auf Kosten anderer Euro-Staaten über seine Verhältnisse lebte und in eine wirtschaftliche Schieflage geriet, die den Euro-Raum als Ganzes bedroht. Schutzschirme wurden aufgespannt, eine Troika zur Beratung der Schuldner eingerichtet und Schuldenerlasse diskutiert. Die Verpflichtungen Griechenlands sind so groß, dass sie nicht nur die Bevölkerung über die Maßen belasten; sie werden auch auf Generationen nicht abzuzahlen sein. Wo die Perspektive fehlt, schwindet aber nicht nur der Mut zum Leben; es gedeihen auch Forderungen nach einem radikalen Schuldenschnitt. Ist das nicht absolut illusorisch? Sollen jetzt die, die über ihre Verhältnisse gelebt haben, etwa auch noch belohnt werden?

Transparenz und Kontrolle

Der Umgang mit Geld ist ein Thema, das alles andere als profan ist. Mehrfach beschäftigt sich das Neue Testament mit dem Thema. Paulus etwa verpflichtet sich auf dem berühmten Apostelkonzil, von dem er selbst im Galaterbrief berichtet (vgl. Galater 2,1-10) und das auch in der Apostelgeschichte beschrieben wird (vgl. Apostelgeschichte 15,1-29), zu einer Geldsammlung für „die Armen“ – gemeint ist wohl die Urgemeinde in Jerusalem:

„Jakobus, Kephas und Johannes, die als die ‚Säulen’ Ansehen genießen, gaben mir und Barnabas die Hand zum Zeichen der Gemeinschaft: Wir sollten zu den Heiden gehen, sie zu den Beschnittenen. Nur sollten wir an ihre Armen denken; und das zu tun, habe ich mich eifrig bemüht.“ (Galater 2,9f)

Tatsächlich kommt Paulus in seinen Briefen mehrfach direkt oder indirekt auf dieses Kollektenprojekt zu sprechen. Offenkundig sah er hierin ein einheitsstärkendes Zeichen zwischen Heiden- und Judenchristen, das ihm so wichtig war, dass er die römische Gemeinde sogar um ein fürbittendes Gebet für das Gelingen dieses Kollektenprojektes ersuchte:

„Steht mir bei, und betet für mich zu Gott, dass ich vor den Ungläubigen in Judäa gerettet werde, dass mein Dienst in Jerusalem von den Heiligen dankbar aufgenommen wird und dass ich, wenn es Gottes Wille ist, voll Freude zu euch kommen kann, um mit euch eine Zeit der Ruhe zu verbringen.“ (Römer 15,30b-32)

Wie sensibel der Umgang mit Geld – zumal mit fremdem Geld – ist, musste auch Paulus erfahren. In Korinth etwa sind Zweifel an seiner Lauterkeit aufgekommen, die ihn veranlassen, ein Kontrollsystem aufzubauen, das seinen Umgang mit dem gesammelten Geld für die Gemeinden transparent macht. Die Kapitel 8 und 9 des zweiten Korintherbriefes befassen sich intensiv mit dieser Thematik. Und wie die Troika in modernen Zeiten, so entsenden auch hier die Geldgeber von ihnen bestellte Kontrolleure, die Paulus begleiten und den Gemeinden Rechenschaft von seinem Umgang mit dem gesammelten Geld ablegen. Paulus hat um seiner Lauterkeit willen selbst um diese Entsendung gebeten. Fremdes Geld verpflichtet:

„Angesichts der großen Spende, die von uns überbracht werden soll, möchten wir vermeiden, dass man uns verdächtigt. Es liegt uns nämlich daran, dass alles einwandfrei zugeht, nicht nur vor dem Herrn, sondern auch vor den Menschen. Wir haben aber mit den beiden noch einen weiteren Bruder geschickt, dessen Eifer wir vielfach und bei vielen Gelegenheiten feststellen konnten und der sich in diesem Fall noch eifriger zeigt, weil er viel von euch erwartet. Was nun Titus angeht: Er ist mein Gefährte und mein Mitarbeiter, der für euch tätig ist; unsere anderen Brüder aber sind Abgesandte der Gemeinden und ein Abglanz Christi.“ (2. Korinther 8,20-23)

Schuldenschnitt

Die Haltung des Paulus zum Umgang mit fremdem Geld ist klar und deutlich. Sie ist auch heute noch aktuell. Wo jemand Geld verleiht, braucht er Sicherheiten. Er möchte sein Geld wieder zurückerhalten. Die Errichtung von Kontroll- und Transparenzsystemen ist also nur allzu verständlich. Aber was ist, wenn – wie in Griechenland – diese Kontrollsysteme versagt haben und sich die Situation so unwiederbringlich verschlechtert, dass eine Entschuldung aus eigener Kraft nicht mehr möglich ist?

Im Matthäusevangelium wird Jesus von Petrus mit der Frage konfrontiert, wie oft man seinem Bruder, der gesündigt hat, vergeben muss. Jesus beantwortet die Frage mit einem Gleichnis:

„Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloss, von seinen Dienern Rechenschaft zu verlangen. Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war. Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen. Da fiel der Diener vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen. Der Herr hatte Mitleid mit dem Diener, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld.“ (Matthäus 18,23-27)

Es ist mehr als eine großherzige Geste, die der König seinem Schuldner gegenüber setzt. Die Schuld – 10.000 Talente – ist übergroß. Um sich die Größe dieser Schuld zu vergegenwärtigen, muss man auf den Gegenwert eines Talentes schauen. 1 Talent entspricht 6.000 Denaren. 1 Denar entspricht dem Lohn für einen Arbeitstag. 1 Talent entspricht damit bereits 23 Arbeitsjahren. 10.000 Talente sind nach menschlichen Maßstäben nicht mehr vorstellbar. Um diese Schuld abzuarbeiten, müsste der Schuldner 230.769 Jahre nur zur Tilgung seiner Schuld arbeiten. Das ist unmöglich und kann nur in die Verzweiflung treiben. Der König also weiß, dass er sein Geld nie wiedersehen wird. Er weiß aber auch, dass er von einem solchen Menschen nichts mehr zu erwarten hat. Die Verzweiflung wird ihn, wenn nicht in den Tod, so doch in die Resignation treiben; noch nicht einmal Steuern sind von einem solchen Menschen zu erwarten. Der König also tut das einzig Logische: Er setzt den Schuldenschnitt. So bekommt sein Schuldner wieder eine Perspektive. Es lohnt sich wieder für seinen eigenen Unterhalt zu arbeiten – und seine Dankbarkeit wird er auch dem König gegenüber erweisen, indem er ihm das gibt, was ihm zusteht.

Wie eng solidarisches Verhalten mit dem Geld verbunden sein kann, davon erzählt ein anderes Gleichnis, das im Lukasevangelium überliefert ist:

„Jesus sagte zu den Jüngern: Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Diesen beschuldigte man bei ihm, er verschleudere sein Vermögen. Darauf ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung! Du kannst nicht länger mein Verwalter sein. Da überlegte der Verwalter: Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Was soll ich jetzt tun? Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht, und zu betteln schäme ich mich. Doch - ich weiß, was ich tun muss, damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin. Und er ließ die Schuldner seines Herrn, einen nach dem andern, zu sich kommen und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er antwortete: Hundert Fass Öl. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich gleich hin und schreib ‚fünfzig’. Dann fragte er einen andern: Wie viel bist du schuldig? Der antwortete: Hundert Sack Weizen. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib ‚achtzig’. Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes.“ (Lukas 16,1-8)

Der Verwalter handelt gegen die Interessen seines Herrn. Aber er macht sich mit dem Teilerlass der Schulden Freunde. Die Solidarität, so assoziiert das Gleichnis, ist wichtiger als das Eintreiben der Schulden. Der Wert des Geldes ist relativ. Die zwischenmenschliche Solidarität hingegen sichert im Zweifel die eigene Existenz. So mahnt Jesus im Fortgang auch an:

„Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es zu Ende geht.“ (Lukas 16, 9)

Welche Konsequenz das Beharren auf dem eigenen Besitz hat, kann man hingegen an der Weitererzählung des Gleichnisses aus dem Matthäusevangelium erkennen. Der König hatte seinem Schuldner einen umfassenden Schuldenschnitt gewährt – ohne Bedingungen, wie zu sehen war allerdings nicht ohne Grund. Der so Begnadete aber erweist sich selbst als unbelehrbar: „Als nun der Diener hinausging, traf er einen anderen Diener seines Herrn, der ihm hundert Denare schuldig war. Er packte ihn, würgte ihn und rief: Bezahl, was du mir schuldig bist! Da fiel der andere vor ihm nieder und flehte: Hab Geduld mit mir! Ich werde es dir zurückzahlen. Er aber wollte nicht, sondern ging weg und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe. Als die übrigen Diener das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war. Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Diener! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich so angefleht hast. Hättest nicht auch du mit jenem, der gemeinsam mit dir in meinem Dienst steht, Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er die ganze Schuld bezahlt habe.“ (Matthäus 18,28-34)

Solidarität

Der Überblick über die verschiedenen neutestamentlichen Texte zeigt, wie sensibel, aber auch wie bedeutsam der Umgang mit Geld ist. Die Solidarität zwischen Gebenden und Nehmenden ist eine wechselseitige. Die Nehmenden sind solidarisch zu einem verantwortlichen Umgang mit dem Geld verpflichtet. Offenlegung der Verwendung, Transparenz und Zulassung von Kontrolle sind notwendig, um das gegenseitige Vertrauen zu stärken. Wo aber diese Mechanismen versagt haben und eine unwiederbringliche Verschuldung eingetreten ist, hilft es wenig, den moralischen Zeigefinger zu heben und auf dem Vollzug der Schuldeneintreibung zu beharren. Es wird nicht nur die Solidarität zerstört werden, auch das gegenseitige Vertrauen wird unwiderruflich geschädigt. Ein Zusammenleben wird unmöglich. Und die Schulden? Wie soll zurückzahlen, wer nichts mehr außer Schulden hat?

Ein Schuldenschnitt ist eine logische und solidarische Lösung. Sie ermöglicht dem Schuldner nicht nur einen Neustart. Sie stärkt vor allem auch die Solidarität. Sie wird so zur Basis für ein Vertrauen, das sich dann auszahlen wird, wenn sich die Verhältnisse umkehren. Die Geschichte Europas allein hat gezeigt, dass aus Nehmern Gebern werden und aus Gebern Nehmern. Wer da nur auf den schnöden Mammon schaut, droht die Mahnung Jesu zu vergessen:

„Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ (Lukas 16,13b)

Information

Dieser Beitrag ist Teil von Dei Verbum. Dei Verbum ist ein neues Internetprojekt der Katholischen Citykirche Wuppertal. Das Wort Gottes (lateinisch Dei verbum) steht dabei im Mittelpunkt. Hier veröffentlichen der in Jerusalem arbeitende Alttestamentler Till Magnus Steiner und der Wuppertaler Neutestamentler Dr. Werner Kleine in regelmäßigen Abständen biblische Beiträge zu aktuellen Themen. Die alten Texte der Bibel erweisen sich dabei nicht nur als erstaunlich zeitgemäß; sie lassen auch manches in einem neuen, ungewohnten Licht erscheinen.

Mehr unter www.dei-verbum.de

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