Ausgabe 10, Dezember 2013

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Herzlich Willkommen in Deutschland?
Wie viel kostet ein Flüchtlingsleben nach Lampedusa?

Kommentar Eduard Urssu

Mehr als 45 Millionen Menschen weltweit sind derzeit auf der Flucht. Kaum vorstellbar: 45 Millionen Menschen, 45 Millionen Schicksale. Angesichts dieser dramatischen Situation ist es unbegreiflich, dass die europäischen Regierungen starr an ihrer Politik des Abwartens und Diskutierens festhalten. Auch nach Lampedusa.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso spricht im Zusammenhang mit den Todesopfern vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa von einem „Drama mit unermesslichem menschlichen Ausmaß“. Nur wenige Sätze später verschiebt er eine mögliche Korrektur der Asylpolitik der Europäischen Union auf den nächsten EU-Gipfel im nächsten Jahr. Schnelles Handeln um Menschenleben zu retten, geht anders. Vertretern von Sozialverbänden und den Kirchen gehen Barrosos Ankündigungen nicht schnell, vor allem aber nicht weit genug. Verständlicherweise. Nur ein Beispiel: Nach Angaben der UNO-Flüchtlingshilfe haben im Jahr 2011 mehr als 50.000 Menschen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Knapp 80 Prozent der Anträge wurden im selben Jahr beschieden. Lediglich 1,5 Prozent wurden bewilligt, mehr als die Hälfte wurde abgelehnt.

Seit Jahren fordert Amnesty International eine Reform der europäischen Asylpolitik, damit wohlhabende Staaten endlich mehr Flüchtlinge aufnehmen. Stattdessen schottet sich Europa immer mehr ab. Deutschland macht da leider keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil. Seit Lampedusa wird hierzulande wieder leidenschaftlich gestritten – von „Könnten wir?“ über „Jemand sollte!“ bis zu „Wer muss eigentlich wen und wie viele aufnehmen?“. „Menschlichkeit“ oder „Nächstenliebe“ sucht man meist vergebens in diesen zu laut geführten Debatten. Die Maut für Autofahrer aus dem Ausland wird da, Horst Seehofer sei Dank, weitaus konstruktiver diskutiert.

Reform der Asylpolitik? Natürlich. Geredet wird darüber. Aber handeln die Verantwortlichen auch dementsprechend? Leider Fehlanzeige. Eine wirkliche Neuausrichtung der herrschenden Asylpolitik ist in weiter Ferne. Zumindest in dieser Angelegenheit machen die deutschen Volksvertreter ihren Job und sprechen Volkes Stimme. Bedauerlicherweise. Denn laut einer Umfrage der ARD ist die Mehrheit der Deutschen gegen die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge in Deutschland. Eine knappe Mehrheit befürwortet allerdings, dass Europa mehr Flüchtlinge aufnimmt. Ein Schelm, wer böses dabei denkt?

Hilfe ja, aber... Was verbirgt sich eigentlich hinter einem solchen „aber“? Wir wollen helfen, aber eigentlich wollen wir mit diesem Elend lieber doch nichts zu tun haben? Oder fürchten wir, dass nur Schmarotzer kommen, und uns die schöne, heile Wohlstandsfantasie mit einem großen Knall um die Ohren fliegt? Apropos fliegen. Wissen Sie eigentlich, wie vielen Menschen allein mit den Mehrkosten des Prestigeprojekts „Flughafen Berlin-Brandenburg“ geholfen werden könnte? Ich weiß es nicht. Allerdings weiß ich, dass man mit 3.500.000.000 Euro schon etwas anfangen kann. Wenn man nun – halten Sie mich verrückt – fähige und gut bezahlte Menschen mit Projekten wie dem Flughafen, Stuttgart 21 oder der Großbaustelle Döppersberg beauftragen würde. Wie viel Geld hätten wir dann übrig? Und wie wenig würde uns das etwas Mehr an Nächstenliebe tatsächlich „kosten“?

Tatsächlich hat das eine kaum etwas mit dem anderen zu tun. Tatsächlich jucken in Berlin niemanden die 3,5 Milliarden Euro Mehrkosten. „Mit Volldampf in den Ruin, und das ist auch gut so“, scheint irgendwer zu rufen. Doch wenn wir anfangen, jedes Menschenleben in Euro, Dollar oder Rupien umzurechnen, dann brauchen wir die Worte „Nächstenliebe“ oder „Menschlichkeit“ erst gar nicht in den Mund zu nehmen. Tatsächlich.

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