Ausgabe 10, Dezember 2013
Noch fließt der Verkehr auf der B7.

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Das geordnete Chaos
Umbauarbeiten rund um Döppersberg drohen zum Fiasko zu werden

Text und Bild Gregor Elsbeck

Etwas unübersichtlich und ’runtergekommen war die Elberfelder Innenstadt schon seit einigen Jahrzehnten. Wer den schmuddeligen Bahnhofsbereich passierte oder an der Morianstraße auf seinen Bus wartete, konnte sehen, dass sich etwas ändern muss. Seit dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit hat sich das Erscheinungsbild von Elberfelds City im Großen kaum gewandelt: 1961 gab der Wuppertaler Oberbürgermeister Heinz Frohwein den Tunnel unter dem Döppersberg frei, der Hauptbahnhof, Busbahnhof und die Innenstadt für Fußgänger bis heute miteinander verbindet. Zusätzlich wurde seinerzeit die B7 zweispurig ausgebaut, die noch immer als Hauptverkehrsader durch die Talachse führt. Irgendwann war der Tunnel so verkommen und der Verkehr so dicht geworden, dass es in dem Zustand nicht weitergehen konnte. Ende der 90er Jahre präsentierte die Stadt erste Pläne für eine Neugestaltung von Döppersberg und Umgebung. In den Nullerjahren wurde ein vorläufiger Umbauplan beschlossen. 2010 begann dann die erste von sechs Bauphasen. So unübersichtlich die Elberfelder Innenstadt war, so vielschichtig ist nun ihr Umbau. Zum Glück scheinen die Verantwortlichen bei der Stadt den Überblick noch nicht verloren zu haben. Auf der Internetseite www.doeppersberg.de heißt es jedenfalls: „Ziel der Baumaßnahme ist die städtebauliche und funktionale Aufwertung des gesamten Bahnhofsumfeldes. Dabei werden zwei der wichtigsten, zentralen Quartiere im Stadtgebiet - Innenstadt und Bahnhofsumfeld - wieder zusammengeführt und damit wird aus einer heute vom Verkehr dominierten Fläche wieder ein lebenswertes, beliebtes und belebtes Viertel entwickelt: Das Tor zur Stadt.“ Soweit die euphemistische Grundidee. Dass die Praxis deutlich schwieriger ist, lässt sich schon mit Blick auf die komplizierten Einzelmaßnahmen des Umbaus erahnen.

Busbahnhof mit Tiefgarage

Unter anderem soll eine barrierefreie Fußgängerbrücke zwischen Innenstadt und Bahnhof gebaut werden, der Bahnhofsvorplatz soll auf zwei Ebenen errichtet werden, ein neuer Busbahnhof mit Tiefgarage soll entstehen und der Individualverkehr soll entzerrt werden. Dazu wollen die Bauherren die Straßen Döppersberg und Bahnhofstraße in die Bundesallee (B7) führen und letztere tieferlegen, um Platz für eine neue Brücke mit Geschäften zu schaffen. Ganz nebenbei wird die Deutsche Bahn das Bahnhofsgebäude und die Bahnsteige modernisieren. Kommt es ganz hart, setzt ein möglicher Ausbau der City-Arkaden der Baugeschäftigkeit in Elberfeld das Sahnehäubchen auf. Das alles geht natürlich nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten. Mindestens bis die von der Stadt durchgeführten Umbauten am Döppersberg etwa 2018 fertig sind, müssen sich die Bürger auf viele Verkehrsumleitungen für Autos und Busse einstellen. Einschränkungen bei Fußwegen und der Erreichbarkeit bestimmter Plätze in der Innenstadt sind buchstäblich unumgänglich.

Vollsperrung der Bundesallee

Besonderen Ärger bereitet eine mögliche Vollsperrung der B7 von 2014 an für rund drei Jahre. Diese Idee brachte die Stadt erstmals im Sommer ins Spiel, um die Umbauzeit der Döppersberg-Region zu verkürzen. Mit der Sperrung der Bundesallee zwischen Kasino- und Morianstraße sei man bereits 2018 fertig, ohne die Sperrung würde der Umbau bis 2020 dauern. Dabei sollte er ursprünglich mal ohne diese Vollsperrung bereits 2017 beendet sein. Wie der Verkehr genau umgeleitet wird, ist noch nicht klar. Die Südhöhen und die A46 könnten einen Ausweg bieten, wobei auf der Autobahn schon jetzt viel gebaut wird, was zu Staus führt. Nicht nur die Bürger sehen die Umwege und eine Überlastung des umliegenden Straßennetzes im Zusammenhang mit der B7-Sperrung kritisch, auch der Einzelhandel rund um die Bundesallee fürchtet Einnahmeeinbußen wegen schlechter Erreichbarkeit. Eine Bürgerbeteiligung für Vorschläge und Meinungen zur B7-Sperrung hat die Stadt schon durchgeführt. Am 16. Dezember will der Stadtrat sich für oder gegen die Vollsperrung entscheiden. Und obwohl diese einiges an Kosten sparen würde, weil der Robert-Daum-Platz somit nicht umgebaut werden müsste, werden die Gesamtkosten für den Umbau rund um den Döppersberg wohl höher ausfallen als geplant.

Bisher waren 105 Millionen Euro veranschlagt, doch am 18. November hat der Rat einer Erhöhung des Etats um weitere 35 Millionen zugestimmt. Auch wenn die Stadt Wuppertal „nur“ etwa ein Drittel davon trägt – zwei Drittel kommen von Land und Bund – erscheint diese Summe nahezu astronomisch für die hoch verschuldete Kommune. Die Bürger beruhigt es nicht, dass der Bahnhofsumbau von der Deutschen Bahn und der Ausbau der City-Arkaden mehrheitlich vom Betreiber übernommen wird. Viele wollen stattdessen das viele Geld – sofern es überhaupt ausgegeben wird – lieber für soziale Projekte oder zur Schuldentilgung einsetzen. Daher hat sich die Bürgerinitiative „Döpps 105“ gegründet, die sich nicht nur in ihrem Namen der Deckelung der Baukosten auf die ursprünglichen 105 Millionen Euro verschrieben hat. Sie sammelt derzeit Unterschriften für die Einberufung eines Bürgerentscheids, der den Ratsbeschluss entweder legitimieren oder revidieren könnte. Oberbürgermeister Jung warnte in der Westdeutschen Zeitung vor einem Scheitern des Döppersberg-Umbaus. Würden die 35 zusätzlichen Millionen wegen eines Bürgervetos nicht bewilligt werden können, wäre der Umbau beendet – ein immenser Schaden für die Stadt. Kritiker werfen Jung vor, sich mit dem Bauvorhaben nur sein eigenes Denkmal setzen zu wollen. Die Fraktionen von CDU, SPD und FDP haben den Mehrausgaben zugestimmt, Linke und WfW unterstützen die Bürgerinitiative für eine Kostendeckelung. Diese steht unter Zeitdruck, denn spätestens sechs Wochen nach dem Ratsbeschluss vom 18. November müsste ein Bürgerbegehren eingereicht sein, um den Weg für den gewünschten Bürgerentscheid zu ebnen. Ob bis dahin die mehr als 10.000 nötigen Unterschriften gesammelt sind, ist fraglich.

Uferlose Großbauprojekte

Der Umbau von Döppersberg und Umgebung offenbart sich als großes Chaos. Die Stadt möchte das Gefühl vermitteln, als sei dieses Chaos zumindest geordnet. Doch die vielen Baumaßnahmen, die Zeitnot und nicht zuletzt die Streitpunkte B7-Sperrung und Kostensteigerung zeigen, dass nichts geordnet ist. Irrungen und Wirrungen bei Großprojekten sind nichts Neues, ob bei Stuttgart 21, der Hamburger Elbphilharmonie oder dem Flughafen Berlin-Brandenburg. Noch spielt sich der Döppersberg-Umbau nicht in solchen Dimensionen ab, es scheint jedoch munter in diese Richtung zu gehen. Dass sich in Elberfeld etwas ändern musste, war klar. Dass dies nicht mal so eben gehen würde, auch. Dass dabei allerdings noch viel mehr Unordnung entstehen könnte, hätte vorher wohl niemand gedacht. Nicht einmal im krisenerprobten Wuppertal. Immerhin scheint kaum jemand grundsätzlich gegen den Umbau zu sein. Das ist doch schon mal ein kleiner Lichtblick!

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