Ausgabe 18, Mai 2017

Zurück zur Übersicht

Länger und gemeinsam Lernen
Welche Rolle spielen da noch die Hauptschulen in Wuppertal?

Die Katholischen Hauptschulen in Wuppertal erhalten möchte auch Samir Bouaissa, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime NRW. Der frühere Schüler der Bernhard-Letterhaus-Schule sagt: „Der katholische Religionsunterricht hat mir nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Hauptschule ermöglichte mir kulturelle Freiräume und einen guten Start ins Berufsleben.“

Text und Bild Eduard Urssu

Die Hauptschulen sind ein schulpolitisches Auslaufmodell – nicht nur in Wuppertal. „Die Hauptschulen sind kaputt geredet worden.“ – „Die Hauptschulen nehmen nur noch die Schüler auf, die an anderen Schulen nicht angenommen werden.“ – „Die Hauptschulen, vor allem die Hauptschüler haben keine Lobby.“ Diese Liste an Negativkonnotationen ließe sich noch weiter fortführen, sicherlich. Die Hauptschulen in Vohwinkel, Cronenberg, Langerfeld und am Uellendahl sind in den vergangenen Jahren bereits aufgelöst worden – gegen den Widerstand von Schülern, Eltern und auch der Lehrer. In Cronenberg formierte sich sogar eine Bürgerinitiative gegen die Schließung „ihrer“ Hauptschule, die mit einer Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren den Wuppertaler Rat unter Druck setzte. Doch der ließ das Bürgerbegehren nicht zu. Die Hauptschule Cronenberg schloss das letzte Kapitel von vier Jahrzehnten Schulgeschichte im Jahr 2012.

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die letzten fünf Hauptschulen in Wuppertal abgewickelt werden. Bis Ende Februar standen die St.-Laurentius-Schule und die Bernhard-Letterhaus-Schule auf dem Prüfstand. Sie hatten im Schuljahr 2016/17 nicht die für Hauptschulen erforderlichen zwei Eingangsklassen erreicht – es gab zu wenige Anmeldungen. Zum Hintergrund: Geschieht dieses zwei Jahre in Folge, werden Hauptschulen in der Regel aufgelöst. Eine Schulauflösung müsste vom Rat der Stadt mitgetragen werden. An einen solchen Beschluss wäre dann Schuldezernent Dr. Stefan Kühn gebunden, auch wenn er auf Anfrage von logisch! erklärt hat, die Pluralität der Schullandschaft Wuppertals gerne erhalten zu wollen. „Aber“, erklärt Stefan Kühn „wir sind an den Elternwillen gebunden. Und wenn die Schulen nicht die erforderliche Zweizügigkeit erreichen, dann muss der Rat der Stadt Wuppertal entsprechend handeln.“ Eben diesen Ratsbeschluss sieht Michael Neumann vom Katholischen Schulreferat Remscheid-Solingen-Wuppertal zu eng gefasst. Dem Schulordnungsgesetz entnimmt er, dass eine Zweizügigkeit auch dann gegeben ist, wenn diese erst ab dem 7. Jahrgang erfolgt. „Und beide Städtisch-Katholischen Hauptschulen haben ab der 7. Klasse eine stabile Zweizügigkeit“, bestätigt Michael Neumann. Zudem entnimmt er dem „Leitfaden Schulorganisation“ der Bezirksregierung Düsseldorf, dass laut NRW-Schulgesetz eine Hauptschule mit einer Klasse pro Jahrgang fortgeführt werden kann, wenn den Schülern der Weg zu einer anderen Hauptschule mit mindestens zwei Parallelklassen nicht zugemutet werden kann. Auch hier setzt Michael Neumann ein Ausrufezeichen: „Mit der Aufgabe der Städtisch-Katholischen Hauptschule St. Laurentius wäre die letzte Hauptschule im Wuppertaler Westen betroffen.“

Und im Osten der Stadt sieht es ähnlich aus. Dort läuft eine weitere Hauptschule Gefahr, auf das Abstellgleis zu geraten und könnte so die Situation für Hauptschüler in Wuppertal dramatisch beeinflussen – die Hauptschule Matthäusstraße. Zwar kann die Schule in Wichlinghausen auf stabile Anmeldezahlen bauen, jedoch nicht auf den Rückhalt der Wuppertaler Politik. Diese plant zum Schuljahresbeginn 2018/2019 den Umzug der Hauptschule Matthäusstraße in das Gebäude der Hauptschule an der Dieckerhoffstraße in Langerfeld – um Platz für eine Grundschule zu machen. Marion Kocherscheidt-Quasowski, die Schulpflegschaftsvorsitzende an der Matthäusstraße, kritisiert das städtische Vorgehen: „Hier werden die Eltern gegeneinander ausgespielt. Unsere Hauptschule hat immer genügend Schulanmeldungen und unsere Kinder gehen gerne auf die Schule. Diese Schule funktioniert!“ Sie bezweifelt zudem, dass alle Eltern den Umzug nach Langerfeld mitgehen werden. Allein, um ihren Kindern den deutlich weiteren Schulweg zu ersparen. „Alle Kinder, die mit dem Bus zur Schule fahren, müssen über den Berliner Platz in Oberbarmen. Und was das für eine unsichere Gegend ist, haben wir ja aktuell in der Diskussion“, sagt Marion Kocherscheidt-Quasowski. Auch ist von baulichen Mängeln die Rede, etwa von Schimmel in der Aula und den Klassenzimmern in Langerfeld, weiß die Schulpflegschaftsvorsitzende zu berichten. Sie sei enttäuscht darüber, dass die Stadt Wuppertal eine gesunde Hauptschule opfere, weil Hauptschüler und deren Eltern scheinbar keine Lobby hätten. „Mit einem Gymnasium könnte man das nicht machen“, ist sich Marion Kocherscheidt-Quasowski sicher.

Innerhalb von einer Woche hat Marion Kocherscheidt-Quasowski mehr als 200 Unterschriften gegen die Verlegung ihrer Hauptschule gesammelt und an Oberbürgermeister Andreas Mucke übergeben.

Diese Einschätzung teilt auch Thorsten Klein. Der Fachgruppensprecher „Hauptschule“ der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und Personalrat „Hauptschule“ bei der Bezirksregierung Düsseldorf, stellt eine düstere Prognose für die Zukunft der Wichlinghauser Hauptschule auf: „Die Eltern der Hauptschüler werden mit den Füßen abstimmen. Innerhalb kürzester Zeit werden die Anmeldezahlen so weit zurückgehen, dass die Schule aufgelöst werden kann. Dann haben wir bald überhaupt keine Hauptschule mehr in Wuppertal – so bereits in Duisburg geschehen.“ Seiner Meinung nach sind die Hauptschulen in den letzten Jahren kaputt geredet worden. Dabei haben sie, aufgrund ihrer relativ geringen Schülerzahlen, die Möglichkeit, schwächere Schüler intensiver zu fördern. In großen Schulsystemen kommen solche Schüler oft zu kurz. Doch der Vorteil eines kleineren Schulsystems könnte jetzt zum Nachteil werden. Weniger Schüler bedeuten auch weniger Eltern, die sich beschweren können. Thorsten Klein sieht die Politik in der Pflicht, endlich eine adäquate Alternative zur Hauptschule anzubieten. „Die Tage der Hauptschule sind gezählt, aber wir dürfen diesen Übergang als Entwicklungsmöglichkeit nicht verpassen. Da muss jetzt der Schulentwicklungsplan Lösungen aufzeigen.“ Der Weg geht hin zum längeren gemeinsamen Lernen. Ob das künftig in Gesamtschulen oder in Sekundarschulen gelingen soll, ist aber nicht klar. Sicher ist aber, dass die in Wuppertal aktuell bestehenden Gesamtschulen die wachsende Schülerzahl schon jetzt nicht auffangen können. Vor allem dann nicht, wenn die aktuell fünf noch verbliebenen Hauptschulen auch geschlossen würden. Allein die Anmeldezahlen an den Gesamtschulen in den vergangenen Jahren belegen, dass regelmäßig mehrere Hundert Schüler von den Gesamtschulen abgelehnt werden mussten. Und die Gymnasien werden die Grundschüler mit Hauptschulempfehlung kaum aufnehmen können.

Informationen

Das Stadtdekanat Wuppertal hat mit der Katholischen Citykirche Wuppertal eine Initiative zur Unterstützung der Wuppertaler Hauptschulen auf den Weg gebracht. Auf dem Blog www.haupt-sache-bildung.de finden sich Informationen für deren Erhalt. Dort soll es auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Wuppertaler Schulpolitik geben, Kommentare und Beiträge sind willkommen.

Unterstützung erhält die Initiative von prominenten Vertretern der Stadt. So sieht Arnd Krüger von der Kreishandwerkerschaft Solingen-Wuppertal durchaus gute Chancen für die Hauptschulen: „Das Handwerk braucht gut ausgebildete Hauptschüler, die nach der Ausbildung im Betrieb bleiben und nicht auf der Hochschule in den Ingenieurwissenschaften ihr Glück versuchen. Die Exzellenz-Initiativen, dass alle Welt studieren muss, haben dem Handwerk schwer zu schaffen gemacht.“

Aktuell

Für das kommende Schuljahr haben alle Wuppertaler Hauptschulen genug Anmeldungen für je zwei Eingangsklassen bekommen. Die St.-Laurentius-Schule startet mit voraussichtlich 36 Schülern, die Bernhard-Letterhaus-Schule mit 51 Schülern in der 5. Klasse.

Zurück zur Übersicht