Ausgabe 14, April 2015

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Günstig angezogen oder fair gekleidet?
Der Textildiscounter KiK ist schon lange da, Primark kommt bald, doch es gibt auch alternative Modemacher im Tal

Wer ein 3-Euro-Shirt kauft, sollte sich fragen, wo es herkommt und unter welchen Bedingungen Menschen gezwungen waren, es zu fertigen. Foto: Christina König

Text und Bild Daniela Ullrich

Anfang März werfen Unbekannte in Langerfeld Farbbeutel gegen die Schaufenster einer Filiale des Textildiscounters KiK – und hinterlassen den Schriftzug „No KiK, no Primark“. Das irische Unternehmen Primark betreibt mehr als 250 Filialen in Großbritannien, Irland sowie auf dem europäischen Festland. In dem Jahr, als die Textilfabrik im pakistanischen Karachi brannte, hatte Primark bereits acht Filialen in Deutschland. Um sich mit günstiger Mode des Discounters einzudecken, fahren auch Wuppertaler ins Ruhrgebiet. Dort gibt es Stoffschuhe für drei Euro zu kaufen und eine Lack-Handtasche für zwölf Euro. Und das soll bald auch am Wuppertaler Döppersberg möglich sein. Am 10. Februar 2015 stimmte der Stadtrat in einer Sondersitzung den Verträgen mit dem Investor Signature Capital zu. Diese sehen die Bebauung des Bahnhofsvorplatzes mit einem großen, mehrstöckigen Geschäftsgebäude vor. Einziehen soll der irische Textildiscounter Primark.

In Wuppertal hat diese Entscheidung die Diskussion über Billigmode neu entfacht. „Einmal tragen und dann wegwerfen“ – so beschreibt Modedesignerin Navina Binkenborn das Primark-Phänomen. Die Mode, die sie unter dem Namen „Edda Mör“ entwirft, soll dazu einen Gegenentwurf bieten. In ihrem Atelierladen gleichen Namens will sie die Menschen ermuntern, etwas weniger, dafür aber wieder bewusster einzukaufen. Die 34-Jährige will eben nicht nur verkaufen, sie will vor allem ein Zeichen setzen. Denn dass sich nicht jeder die Stücke aus ihrer Kollektion leisten kann, das ist Binkenborn klar.

Nachhaltig statt ständig neu

Daher bietet Edda Mör auch Strick- und Nähkurse an. Im Upcycling-Workshop etwa entstehen aus T-Shirt, Bluse und Hose ein neuer Sofakissenbezug, eine Tasche oder eine Kindertunika. Der verantwortungsbewusste und nachhaltige Umgang mit Mode kann eben auch bedeuten, ausrangierte Kleidungsstücke nicht einfach wegzuwerfen. Manchmal ist es nur eine Naht, manchmal ist es komplizierter: Lieblingsstücke nachbessern, reparieren oder recyceln lassen – auch das ist bei Edda Mör möglich.

Im Mai feiert Navina Binkenborn mit ihrem Atelierladen für nachhaltig gefertigte Mode Einjähriges in Wuppertal. Billig-Modeanbieter KiK betreibt bereits seit Jahren neben der Filiale in Langerfeld, die beschmiert wurde, noch weitere im gesamten Stadtgebiet. Der deutsche Textildiscounter, ein Schwergewicht in der Branche, war nach eigenen Angaben der Hauptkunde jener Fabrik in Karachi, wo im Jahr 2012 bei einem verheerenden Brand 260 Arbeiter starben und 32 verletzt wurden. Medien berichteten damals, dass viele Fenster des Gebäudes vergittert waren und die Notausgänge verschlossen. Das Feuer habe sich deshalb so schnell ausbreiten können, da leicht entzündliche Textilien falsch gelagert waren.

Ökologisch statt chemisch belastet

Bei Edda Mör, in der Friedrich-Ebert-Straße 89a, steht die große, dunkle Eingangstür offen, auf der Treppe sind Schienen für die Kinderwagen der Kunden montiert. Der Atelierladen von Navina Binkenborn sieht einladend aus. Die großen Fenster des Altbaus lassen viel Tageslicht in die beiden Räume. Susanne Cappellini steht im Hinterzimmer an einem großen Tisch und betrachtet Schnittmuster. Die 46-jährige Mutter entwirft und produziert unter dem Namen „Little Greenbird“ Bio-Kindermode, die sie bei Edda Mör verkauft. Die Stoffe, die sie dafür verwendet, sind zertifiziert: Der Global Organic Textile Standard (GOTS) gilt als weltweit führend bei der Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern. „Das Siegel garantiert, dass die Arbeiter fair entlohnt werden“, sagt Cappellini. Auch wenn das Siegel eher ein ökologisches ist: Der GOTS schreibt allen Verarbeitern und Herstellern vor, dass sie soziale Mindestkriterien erfüllen. Das Verbot von Kinderarbeit zum Beispiel. Eine weitere Anforderung: „Die Arbeitsbedingungen sind sicher und hygienisch.“

Navina Binkenborn mit einem „recycelten“ Pullover ihres Labels „Edda Moer“. „Der Ärmel war einmal ein Schal“, erzählt die Designerin.

Weil sie dies in der Textilfabrik in Karachi im Herbst 2012 nicht gewesen sein sollen, haben Muhammad Hanif und Muhammad Jabbir, Abdul Aziz Khan Yousuf Zai und Saeeda Khatoon am 13. März dieses Jahres beim Landgericht Dortmund Klage auf Schadensersatz gegen KiK eingereicht. Die vier gehören zur Selbstorganisation der Betroffenen des Unglücks, der Baldia Factory Fire Association. Sie fordern je 30.000 Euro Schmerzensgeld. Hanif überlebte den Brand schwer verletzt. Jabbir, Zai und Khatoon verloren einen Sohn. „Wie in vielen Ländern Südasiens haben die Arbeiterinnen und Arbeiter in Karachi mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben für die Kleidung von KiK bezahlt“, sagt Wolfgang Kaleck. Kaleck ist Generalsekretär beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Die Organisation unterstützt mit medico international die Klage. Das Verfahren gegen KiK, so der ECCHR auf seiner Internetseite, soll klar machen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter den Preis für die Produktion für den westlichen Markt zahlen – damit die Kunden möglichst wenig bezahlen. Die Frage ist, wie lange die Kunden von KiK, Primark und Co. noch bereit sind, dafür das Leben von Menschen zu gefährden.

Hintergrund

Edda Mör Im Atelierladen für nachhaltig gefertigte Mode, Friedrich-Ebert-Straße 89a, verkauft Navina Binkenborn ihr Kollektion Edda Mör. Susanne Cappellini verkauft Bio-Kindermode unter dem Label Little Greenbird. www.eddamoer.com

KiK Nach dem Brand in Karachi hatte KiK eine Soforthilfe gezahlt. Eine Entschädigung für Familien für den Einkommensausfall des Haupternährers verweigerte das Unternehmen. Nach zwei Jahren Verhandlungen lag im Dezember 2014 ein Entschädigungsangebot vor. Die Selbsthilfeorganisation der Betroffenen – die Baldia Factory Fire Affectees Association – lehnte das Angebot von KiK als unzureichend ab und bestimmte die vier Kläger Muhammad Hanif, Muhammad Jabbir, Abdul Aziz Khan Yousuf Zai und Saeeda Khatoon. (Quelle: www.ecchr.de)

Bangladesch Bangladesch ist nach China der zweitgrößte Produzent von Textilien weltweit. Die rund 4.500 Fabriken im Land produzieren jährlich Waren im Wert von ca. 20 Milliarden Euro – das sind rund 80 Prozent aller Exporte des Landes.

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